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Archiv-Artikel

Opfer in Saarbrücken

Chaos bei der Telefilm Saar: Der Geschäftsführer ist auf der Flucht, nun wird die Produktionsfirma aufgelöst

Finanziell ist das kleine Saarland bettelarm. Dafür aber reich an politischen Skandalen wie kaum ein anderes Bundesland. Aktuell reiht sich der renommierte Saarländische Rundfunk (SR) – respektive dessen Tochter Telefilm Saar – ein in diese unendliche Geschichte vom Geben und Nehmen vorbei an Recht und Gesetz. Rund 15 Millionen Euro soll die winzige Produktionsfirma am kleinsten Sender der ARD angeblich unbemerkt von gleich neun Aufsichtsräten und den Wirtschaftsprüfern veruntreut und einen Schuldenberg von 21 Millionen Euro aufgeschichtet haben.

Der für die Bilanzfälschungen und Betrügereien bei der Telefilm Saar mutmaßlich verantwortliche Geschäftsführer Joachim Schöneberger (58) ist Anfang letzter Woche untergetaucht, nachdem der Aufsichtsrat nach einer Krisensitzung die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und die Saarbrücker Zeitung erstmals über die Affäre berichtet hatte. Schöneberger wurde vom Aufsichtsrat „fristlos gefeuert“. Nach ihm wird gefahndet. Inzwischen übernahm eine Sonderabteilung des LKA Saar den Fall. Die Staatsanwaltschaft leitete zeitgleich ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und der Bilanzmanipulation gegen Schöneberger ein. Süffisantes am Rande: Telefilm Saar produzierte auch die „Tatorte“ aus Saarbrücken.

Die hoch verschuldete Produktionsfirma allerdings war nicht mehr zu retten, sie wird umgehend aufgelöst. Das jedenfalls beschloss der Aufsichtsrat am Sonntagabend. Zudem wurde von dem Aufsichtsgremium, das sich in Sachen Telefilm Saar in- und extern den Vorwurf der „Schlafmützigkeit“ gefallen lassen muss, die Zahlung der noch ausstehenden Löhne für die 25 fest angestellten Mitarbeiter der Firma beschlossen. Für die Beschäftigen sollen zudem Ersatzarbeitsplätze beim SR gesucht werden. Schließlich gehörte die Telefilm Saar zu 100 Prozent der Werbefunk Saar GmbH, die wiederum zu 100 Prozent eine legitime Tochter des SR ist.

Man ist also in der Pflicht beim Sender. Intendant Fritz Raff allerdings sieht sich und seine Kollegen im Aufsichtsrat der Telefilm Saar trotz des im Hause kursierenden Vorwurfs des „Aufsichtsversagens“ offenbar nur als Betroffene. Die Telefilm Saar sei Opfer betrügerischer Machenschaften gewesen, sagte er der Saarbrücker Zeitung.

Laufende wie avisierte Produktionen der Telefilm Saar sollen jetzt von einer anderen Firma übernommen werden. Der Verwaltungs- und der Rundfunkrat des SR müssen diesem Konzept allerdings erst noch zustimmen; die Gläubigerbanken hätten dagegen schon ihr Einverständnis signalisiert. Dass der SR nach der Liquidation seiner Tochterfirma auch um ein eigenes finanzielles Engagement nicht herumkommen wird, steht für die Gläubigerbanken um die Volksbank Saar West und die Dresdner Bank fest. Die Banken seien schließlich „nicht umsonst“ bereit gewesen, auf bis zu 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten, um dem SR weiter eigene Filmproduktionen zu ermöglichen, hieß es aus Gläubigerkreisen. Noch ist die Sache allerdings nicht ausgestanden. „Wir wissen nicht, ab alles schon am Tageslicht ist“, musste Aufsichtsratschefin und Bürgermeisterin (Oberthal) Sigrid Morsch am Sonntag einräumen. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT