„Große Chancen“

FACHTAG Anika Schmidt erklärt, dass hybride Medien keine Menschen ersetzen – sondern nützlich sind

■ koordiniert die Bibliotheks-Pädagogik in der Bremer Stadtbibliothek.

taz: Frau Schmidt, was sind Tiptois? Die stellen Sie heute im Rahmen des medienpädagogischen Fachtags im Wallsaal der Stadtbibliothek vor.

Anika Schmidt: Das sind Hörstifte, in denen Daten von Kinderbüchern gespeichert sind. Wenn die Kinder damit auf bestimmte Symbole im Buch tippen, bekommen sie etwas vorgelesen, Fragen gestellt, hören Musik oder Tiergeräusche.

Als Märchen-Kassetten auf den Markt kamen, war es ein Problem, dass Eltern dann nur noch auf „play“ zu drücken brauchten, statt ihren Kindern selbst etwas vorzulesen. Befürchten Sie jetzt ähnliche Effekte?

Es kommt natürlich immer auf einen möglichst kompetenten Umgang mit den jeweils neuen Medien an. Die „hybriden Medien“, zu denen die Hörstifte wegen ihrer Verbindung aus digitaler Technik und analogen Büchern zählen, bieten gerade für bildungsferne Familien, in denen oft gar nicht mehr vorgelesen wird, große Chancen.

Aber das heißt ja, dass der Einsatz dieser Hybrid-Medien gerade dort wichtig wäre, wo der kompetente Umgang nicht unbedingt zu erwarten ist. Ist das nicht ein Widerspruch?

Deswegen geben wir heute ja den Workshop zusammen mit unserer Partner-Kita, um solche Kompetenzen zu vermitteln. Es geht auch darum, die vielfach bei den Erzieherinnen und Erziehern vorhandene Skepsis abzubauen. Denn es ist ja durchaus nicht so, dass der Einsatz von Hörstiften die zwischenmenschliche Interaktion überflüssig macht. Man muss den Kindern den Gebrauch der Hörstifte ja auch erstmal zeigen.

Überlastete ErzieherInnen könnten dann aber schon in Versuchung sein, den Kindern Hörstifte in die Hand zu drücken, statt gemeinsam zu lesen.

Aber das wäre ja auch der Fall, so bald Kinder gelernt haben, selbstständig ein Bilderbuch durch zu blättern. Hybride Medien machen die menschliche Interaktion nicht überflüssig, sondern ergänzen sie.

Seit wann verleiht die Stadtbibliothek Hörstifte?

Seit 2012, das war schon sehr bald nach der Markteinführung – und sie werden sehr gut nachgefragt. Wir haben mittlerweile an die 200 Hörstiftbücher.

Sind die auch ausreichend robust für den Verleih?

Da gab es noch keine Probleme. Die digitale Revolution macht vor den Kinderbüchern nicht Halt, da wird es bald noch weitere Hybrid-Medien auf dem Markt geben, deren Einsatz wir erproben werden.

Interview: HENNING BLEYL