ORTSTERMIN: BEIM TAUFFEST DES KIRCHENKREISES HAMBURG-WEST/SÜDHOLSTEIN : Mit Johannes am Fluss
Früher, hatte Horst Gorski gesagt, sei die Einstellung der Eltern zur Taufe anders gewesen. „Man wollte seine Kinder frei entscheiden lassen, ob sie sich taufen lassen wollten oder nicht. Das hatte vielleicht auch mit der antiautoritären Erziehung zu tun. Heute wollen Eltern ihre Kinder unter den Segen und Schutz Gottes stellen, vielleicht auch weil sie die Welt anders empfinden als vor 20 Jahren noch.“ So hatte der Propst ein paar Tage zuvor über den „Segen im Fluss“ gesprochen, ein Taufevent am Elbufer, ausgerichtet vom evangelischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein.
Beinahe ein wenig überrascht hatte er da gewirkt, als er der Presse von den 243 Tauffamilien erzählte, die teilnehmen wollten. „Was ist, wenn es regnet?“, hatte jemand wissen wollen – „Es regnet nicht“, hat die Kirchenpressesprecherin in fast frommer Gewissheit versprochen.
Und es regnet nicht. Von rund 3.000 erwarteten Gästen reisen 350 mit dem Schiff vom Anleger 8 aus an. Betrieben wird es von der Familie eines Täuflings, Familie Vetterau, und normalerweise macht es Hafenrundfahrten mit. Heute aber werden Bollerwagen, Kinderkarren, Tupperwaren und Wickeltaschen an Bord geladen, stehen Väter, kleine Kinder im Arm, an Deck und winken den Müttern zu. Andere Mütter bewachen unter Deck die Tortentupperware und warten. Zum Beispiel darauf, dass die Großväter zurückkommen, die oben gerade in lautem Deutsch dem Au-pair-Mädchen die Containerschifffahrt erklären.
Eine kleine Familie gibt es, eine Mutter mit ihrer Tochter und der Taufpatin: Sie freuen sich über diese Gelegenheit, da falle es nicht so auf, dass sie nur so ein kleiner Kreis seien. Nanna Maureen Deborah Scheller, 10 Jahre alt, will vor allem auch später kirchlich heiraten können, darum mache sie die ganze Geschichte hier mit, und „ja“, ihre Mutter sei viel aufgeregter als sie selbst: „Mit Gottessuche hat das nichts zu tun, denn Gott gibt es ja. Aber ich möchte, dass meine Tochter zu einer guten Gemeinschaft dazugehört.“
Die Gemeinschaft ist riesig: Am Falkensteiner Ufer im Hamburger Westen sind Kaffeetische aufgebaut, für insgesamt 22 Gemeinden, nach Farben geordnet. Unbeirrt von der modernen Lobpreis-Schlagermusik aus den Lautsprechern trinken die Taufanwärterfamilien Kaffee aus ihren mitgebrachten Thermoskannen. Aufgeregte PastorInnen laufen barfuß durch den Sand, suchen Taufschalen, Täuflinge und Bibel, am Wasser bauen Kinder Matschburgen.
Mit einem Blumenstrauß in der Hand wartet Propst Gorski darauf, dass er auf die Bühne darf. Auch er ist froh: darüber dass die Anfahrt geklappt hat, darüber dass es den Gemeindemitgliedern so gut geht, und darüber hier an der Elbe feiern zu können, einem Fluss, dem er selbst seit Kindheitstagen verbunden sei.
In den Predigten Textschnipsel wie: „Hey, du, hast du auch schon mal so einen coolen Typen gesehen, wie Johannes? Der macht ja Taufen!“ Liegt es an evangelischen Studienseminaren, in denen gelehrt wird, dass Kinder nur auf sowas reagierten? Oder gar auch die Eltern? Psalm 36 lässt sich wiedererkennen und der Satz: „Gott liebt dich.“ Und dann ab ins Wasser.
Menschen strömen an den Fluss, PastorInnen stellen sich barfuß hinein, Eltern, Großeltern, Paten dazu. Kleine Kinder schreien, als sie Elbwasser über den Kopf bekommen, die größeren lächeln, werden von den Eltern umarmt. Die Sonne scheint, die Sprecherin freut sich, dass es an diesem Nachmittag nicht geregnet hat. Die Elbe fließt weiter in Richtung Nordsee. Sie fühlt sich ein wenig an wie der Jordan.REBECCA CLARE SANGER