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Archiv-Artikel

Nom, Nom, Nom

KEKSWELT Vor 125 Jahren erfand Bahlsen den Leibniz Butterkeks. Was wäre das Leben ohne ihn? Ein Blick in andere Länder gibt Antworten

VON LAURA BACKES & Unter Mitwirkung der taz-Auslandsredaktion

China: Glückskeks

■ Herstellung: Kreisrunder Waffelteig, der in Schiffchenform gebogen wird, innen ein Streifen Papier mit Spruch

■ Anlass: Nach der Ente süß-sauer

■ Kalorien: 25 kcal

■ Geschichte: Der Glückskeks wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von japanischen Migranten in den USA erfunden und damals noch zum Grüntee gereicht. Lange Zeit in China völlig unbekannt, gehört es mittlerweile auch dort zum guten Ton, sich nach dem Essen noch eine Weisheit zu gönnen. Der Weltmarktführer Wonton Food Inc. produziert täglich vier Millionen Kekse, die an chinesische Restaurants in der ganzen Welt verschickt werden.

Weltkeks: Maria

■ Herstellung: Weizenmehl, Zucker, Pflanzenfett und Vanille

■ Anlass: Zum Schwarztee

■ Kalorien: 29 kcal

■ Geschichte: Maria Alexandrowna von Russland heiratete 1874 den Herzog von Edinburgh. Der neu gekürten Herzogin zu Ehren buk ein Londoner Bäcker einen Keks, den er „Maria“ nannte. Heute lieben die Kanadier, die Indonesier, die Ägypter und die Südafrikaner Mary/Maria/María; er ist Ausdruck eines pannationalen Geschmacks. In Spanien steht die Galleta María seit dem Ende des Bürgerkriegs 1939 für den ökonomischen Aufstieg des faschistischen Franco-Regimes. Es gab nun plötzlich eine Weizenüberproduktion; die Lösung: Massenproduktion von Keksen.

Japan: Senbei

■ Herstellung: große, salzige Reiscracker, die geröstet werden

■ Anlass: nachmittags zum grünen Tee

■ Kalorien: 38 kcal, frittiert 177 kcal

■ Geschichte: Der Senbei geht zurück auf die Tang-Dynastie, etwa 700 v. Chr. Damals war er noch süß, irgendwann kam aber jemand auf die Idee, Sojasauce darüber zu kippen. Jetzt ist er salzig. Der Keks ist oft mit einem Symbol für den Ort seiner Herstellung versehen und deshalb ein beliebtes Mitbrinsel.

Vatikanstaat: Hostie

■ Herstellung: Oblaten aus Weizenmehl und Wasser

■ Anlass: Sonntagmorgens, zur Weihnachtszeit auch als Boden für Makronen

■ Kalorien: 1.5 kcal

■ Geschichte: Die Hostie oder Oblate unterliegt einem mystischen Verwandlungsritual. Eigentlich handelt es sich um das Fleisch Jesu Christi, nachgewiesen werden können aber nur obige Zutaten. Das Wort „hostie“ wird in Kanada „us tea“ ausgesprochen und als Schimpfwort à la „verdammt“ verwendet.

Australien: TimTam

■ Herstellung: zwei Biskuitlagen in geschmolzener Schokolade, dazwischen Schokoladencreme

■ Anlass: zum Heißgetränk oder vor dem Fernseher

■ Kalorien: 94 kcal

■ Geschichte: Die Australier versuchen sich in ihrer Freizeit gern im TimTam-Slam. Ziel ist es, ein heißes Getränk durch einen Keks zu trinken. Die Keksenden werden dafür abgebissen, ein Ende wird anschließend in den Tee getaucht und TimTam fungiert als Strohhalm. Doof nur, wenn alle Zutaten sich zu schnell verflüssigen.

Israel: Waffelim

■ Herstellung: Mehrschichtige dünne Keks- oder Esspapierlagen, dazwischen Zitronen- oder Schokoladencreme

■ Anlass: Nach Fleischmahlzeiten, weil sie parve (neutral) sind und man so nicht gegen das Verbot verstößt, Fleisch und Milch zu mischen; Zitronenwaffeln sind traditioneller Proviant der Soldaten (weil sie nicht schmelzen)

■ Kalorien: 28 kcal

■ Geschichte: Die israelischen Neapolitaner gibt es etwa so lange wie den Staat selbst. Genauso alt ist der Streit, ob sie nun Waffelim heißen, also das deutsche Wort mit der maskulinen Pluralendung „-im“, oder Baflot, was mit dem „B“ am Anfang einer Einhebräischung gleichkäme und der femininen Pluralendung „-ot“

Kongo: Heuschrecke

■ Herstellung: Beine und Flügel entfernen. 20 Minuten weichkochen, dann rösten oder grillen

■ Anlass: immer

■ Kalorien: 122 pro 100 g

■ Geschichte: Auf kein Tier trifft der Satz „Fressen oder gefressen werden“ so perfekt zu. Entweder sie fressen die Ernten – oder sie werden selbst Ernte, für zwischendurch. Vorteil: Europäer mögen das nicht. Wenn, tun sie nur so.

USA: Oreo

■ Herstellung: Zwei gebackene Kekse, vom Kakao schwarz, die eine süße Vanillecreme umschließen

■ Anlass: Bei über 50 Sorten gibt es immer einen Anlass

■ Kalorien: 52 kcal

■ Geschichte: Kein Keks wird weltweit mehr verkauft als der Oreo Cookie. In Manhattan kennt man die Straße, wo die Kekse 1912 zum ersten Mal gebacken wurden, unter dem Namen Oreo Way. Früher war im Keks auch Schweineschmalz enthalten. Als in den 1990ern immer mehr Eisverkäufer Oreo-Icecream anboten, kam es zu einem kleinen Aufstand der jüdischen Gemeinde. Denn Schweineschmalz ist nicht koscher. Die Keksbäcker reagierten, seit 1998 werden nur noch koschere Inhaltsstoffe verwendet.