LESERINNENBRIEFE :
Baustopp-Antragsteller zahlt
■ betr.: „Wir bauen nächste Woche“, taz vom 11. 6. 11
In ihren Artikeln zu Stuttgart 21 fehlt eine kleine, aber wichtige Information: Hinsichtlich eines Baustopps ist im Vertragswerk zu Stuttgart 21 festgelegt, dass derjenige seine Kosten trägt, der ihn beantragt. Das ist der tiefere Grund, aus dem die Landesregierung offiziell keinen Baustopp beantragt. Die Unterschlagung dieser Information verbessert in der Öffentlichkeit die Position der Deutschen Bahn AG und verschlechtert die Position der Landesregierung. Insofern ist die Nichtveröffentlichung ein politischer Akt. Ist es zu viel verlangt, um besseres Recherchieren zu bitten? BERNHARD HAAS, Stuttgart
Argumente fehlen
■ betr.: „Die Sache mit dem Schal“, taz vom 14. 6. 11
Der an sich sehr differenzierte Artikel trägt zwar die Überschrift „Die Sache mit dem Schal“, genau die wurde dann aber nicht geklärt. Der Linke-Abgeordneten Inge Höger wurde dieser Schal bei einer Veranstaltung der 9. Konferenz der Palästinenser in Europa auf der Bühne umgelegt, so wie auch allen anderen, die dort eine Grußadresse hielten. Der Schal zeigt die Orte in Palästina, aus denen vor der Gründung des Staates Israel Palästinenser vertrieben wurden. Anstatt sich an einer sachlichen Debatte zu beteiligen, wird Höger nun mit Antisemitismusvorwürfen belagert und hat Morddrohungen erhalten. Wenn das der Stil derjenigen ist, die bedingungslos die israelische Siedlungs- und Besatzungspolitik unterstützen, dann scheinen diesen tatsächlich die Argumente zu fehlen. IAN PORTMAN, Stuttgart
Fußball nur im Internet? Super!
■ betr.: „Freier Fußball für freie Menschen“, taz vom 8. 6. 11
Liebe Redaktion, ich würde eine „Abwanderung“ der Fußballspiel-Direktübertragungen ins Internet sehr begrüßen. Dann fühlte ich mich nicht mehr von dieser Art Massenhypnose zu den Hauptsendezeiten des Ersten und Zweiten Programms belästigt und müsste mich nicht darüber ärgern, dass meine Pflichtbeiträge für das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm auch noch der Fußballmafia in den Rachen geworfen werden. HARALD GARZKE, Hamburg
Humanität in Praxis umsetzen
■ betr.: „Boatpeople und europäische Ignoranz“, taz vom 9. 6. 11
Der Kommentar von Dominic Johnson spricht mir aus dem Herzen. Der Ausblick, dass hoch bezahlte europäische Experten über ein Nachkriegslibyen herfallen, um Demokratie und Menschenrechte zu predigen, ist mehr als wahrscheinlich. Diese Art von humanitärer Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes kann sich die Bundesregierung sparen. Es wäre besser, die angeblich in der westlichen Kultur verwurzelten Werte von Menschenrechten und Humanität in die Praxis umzusetzen, anstatt ständig davon zu erzählen und dabei zu wissen, dass sie in der Realität ohnehin völlig egal sind. TOBIAS ZEHE, Magdeburg
Elf Jahre Restrisiko
■ betr.: „Atomdebatte: Abrechnung im Bundestag“, taz vom 10. 6. 11
Was uns als Meilenstein des Atomausstiegs von der Regierung präsentiert wird, ist eine Riesenmogelpackung. Bis zum Jahr 2022 sollen in Deutschland Atomkraftwerke weiterbetrieben werden. Weitere 11 Jahre sollen wir ein mögliches Restrisiko tragen, weitere 11 Jahre soll täglich Atommüll produziert werden, weitere 11 Jahre soll die Bevölkerung trotz Tschernobyl und Fukushima auf einen endgültigen Ausstieg warten. Das ist eine Verhöhnung aller bisherigen und zukünftigen Opfer von Tschernobyl und von Fukushima. Das ist eine Missachtung des Mehrheitswillens der Bevölkerung.
Es reicht uns mit GAUs, Super-GAUs und unzähligen Störfällen, die das Leben und die Sicherheit der Menschen gefährden. Die Energiekonzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall hatten seit Tschernobyl 25 Jahre Zeit, sich auf erneuerbare Energien umzustellen. Jetzt sollen wir – die Steuerzahler – auch noch durch angedrohte höhere Stromkosten die Energiewende bezahlen, während die Betreiber der Atomkraftwerke bis 2022 weiter händereibend ihre täglichen Gewinne in Millionenhöhe einfahren. Der Ausstieg ist machbar, Herr Nachbar, und zwar sofort. Packen wir es an. WOLF BERGMANN, Tübingen
Süchtiges Fehlverhalten
■ betr.: Drogen: „Macht es legal!“, taz vom 3. 6. 11
Sie haben völlig recht. Ich habe es schon als Jugendrichter schlimm gefunden, junge Menschen verurteilen zu sollen, weil sie weit eher krank als kriminell waren. Sie haben Stoffe konsumiert und besessen, die abhängig machen konnten, psychisch und meist auch körperlich, die aber verboten waren. Jeder wusste, dass es legal mindestens zwei Stoffe gibt, die körperlich und auch psychisch abhängig machen und die erlaubt sind: Alkohol und Nikotin.
Jeder einigermaßen Informierte weiß heutzutage, man kann praktisch nach jeder Verhaltensweise süchtig werden – man nennt das dann süchtiges Fehlverhalten –, die zurzeit bekannteste Form ist die Spielsucht. Unbestritten ist aber auch ein anderes Ziel der Sucht: die Arbeit. Haben Sie schon mal gehört, man wolle diese Form der Sucht durch ein Verbot der Arbeit bekämpfen? Vielleicht sollte man bei unseren Abgeordneten beginnen: mit zeitweiligen Tätigkeitsverboten. WERNER SACK, Frankfurt am Main