piwik no script img

Archiv-Artikel

Im Dunstkreis der Industrie

In Parma hat eine wichtige Behörde ihren Sitz, die kaum jemand kennt: die europäische Super-Lebensmittelaufsicht Efsa. Hier wird mitbestimmt, was wir essen: welche Zusatzstoffe Lebensmitteln hinzugefügt werden dürfen beispielsweise. Die Behörde steht jedoch in der Kritik, weil die EU-Staaten jede Menge Experten zur Mitarbeit entsenden, denen große Nähe zur Industrie nachgesagt wird. Einer davon ist Klaus-Dieter Jany aus Karlsruhe, ein eifriger Verfechter der Grünen Gentechnik

von Sandro Mattioli

Klaus-Dieter Jany ist eigentlich ein ruhiger Mensch: Der Mann, runder Kopf, weiche Züge, spricht mit langsamer Stimme und gemütlichem Unterton in seinen Schnauzer. Er überlegt seine Worte wohl. In seinem Leben hat er sich dennoch schon mit vielen Menschen herumärgern müssen. Jany konnte das wohl nie ganz nachvollziehen, sah er sich doch als Verfechter einer guten Sache: der Grünen Gentechnik. Ein „kritischer Befürworter“ sei er, sagt er im Gespräch.

Der Name dieser Technologie klingt, als sei er direkt dem Parteiprogramm der Grünen entsprungen. Und tatsächlich hat die Agrarindustrie einstmals große Hoffnungen geweckt. Im Labor wird dabei das Erbgut von Nutzpflanzen manipuliert, indem artfremde Gensequenzen eingeschossen werden. Man könne den Hunger in der Welt reduzieren und gleichzeitig den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden verringern, prophezeiten die großen Konzerne, die hinter der Entwicklung dieser Technologie stehen, Monsanto, Syngenta und andere. Diese Hoffnungen wurden bisher jedoch nicht erfüllt. Im Gegenteil: viele Bauern sahen sich in ihrer Existenz bedroht, weil sie das genetisch veränderte Saatgut jedes Jahr neu kaufen müssen und nicht einfach einen Teil der Ernte wieder aussäen können. Und die Grünen sind alles andere als Verfechter dieser Technologie, die, so ihre Ansicht, tatsächlich auch unüberschaubare Risiken berge, beispielsweise wenn sich genetisch veränderte Pflanzen mit Wildpflanzen kreuzten.

Verbraucherschutzverbänden, Umweltorganisationen und der seinerzeitigen grünen Verbraucherschutzministerin Renate Künast war Klaus-Dieter Janys Engagement für die genetische Veränderung von Getreide, der Tomate und anderen Lebensmitteln daher wenig willkommen. Klaus-Dieter Jany war damals für das Max-Rubner-Institut in Karlsruhe tätig. Beim Tag der offenen Tür in diesem Institut bot er demonstrativ Lebensmittel an, die mit gentechnisch veränderten Stoffen hergestellt worden waren. Das wäre an sich harmlos, wenn er nicht dort im Auftrag der Bundesregierung über die Sicherheit von ebensolchen gentechnisch veränderten Lebensmitteln hätte befinden sollen. Renate Künast sagte in einem Gespräch über Jany, sie erwartete von einem Angestellten des Bundes Objektivität.

Künast hatte deshalb sogar versucht, den Gentechnik-Verfechter aus dem Amt zu hebeln, es gelang ihr aber nicht. Janys Chef verwies einfach auf die Freiheit der Forschung, Künast hatte keine Handhabe. Das andauernde Sperrfeuer hat den Wissenschaftler inzwischen dünnhäutig werden lassen: „Wenn Sie mich einen Lobbyisten nennen, verklage ich Sie“, droht er am Telefon. In dem Gespräch ging es um seinen Einsatz für die Grüne Gentechnik.

Kontrollbehörde mitten in der italienischen Schinkenregion

Jany ist inzwischen seit Monaten pensioniert. Früher hat er die OECD, den Bundestag und eine ganze Reihe anderer wichtiger Institutionen in Gentechnikfragen beraten. In der Lebensmittelsicherheit nimmt er aber trotz seiner Pensionierung weiterhin eine führende Rolle ein: Jany ist jetzt für die European Food Safety Authority tätig, die Efsa, Europas oberste Essensaufseher. Kaum jemand weiß, dass es die Efsa gibt. Noch weniger wissen, was die Behörde genau tut. Dabei bestimmt sie darüber mit, was auf Europas Tellern landen darf und was nicht.

Von Anfang an war um die Efsa geschachert worden. Silvio Berlusconi setzte sich schließlich durch und pflanzte die frisch gegründete Behörde im Jahr 2002 mitten in die italienische Schinkenregion rund um die norditalienische Stadt Parma. Mehrere Organisationen, die sich für mehr Transparenz in der Politik einsetzen, werden nicht müde, die Efsa scharf zu kritisieren. Sie beschäftige immer wieder Experten, die in enger Nähe zu Lebensmittelkonzernen stünden, lautet ihr Vorwurf.

Erst Anfang dieses Jahres hat die Anti-Lobbyismus-Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) auf die Verflechtungen von vier Mitgliedern des Leitungsgremiums der Efsa mit der Lebensmittelindustrie hingewiesen. Darunter ist auch ein Deutscher, Matthias Horst. Horst ist zugleich Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Jeder Mitarbeiter der Behörde muss einen Fragebogen ausfüllen, in dem er angibt, für welche Arbeitgeber er in der Vergangenheit tätig war und welche privaten Interessen er hat. Das hat auch Matthias Horst getan und dabei seinen Hauptberuf nicht verschwiegen.

Die Efsa tut die Kritik an ihrem Leitungsgremium kühl ab. Das Gremium aus 15 Personen sei mit Vertretern unterschiedlicher Interessengruppen besetzt, sagt eine Sprecherin. Darunter seien natürlich auch Vertreter der Industrie, aber eben auch der Verbraucher. Die Sprecherin beschreibt das Gremium zudem als Verwaltungseinheit, die keinen Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit habe. Die Verteilung der Posten des Verwaltungsrats würden, betont die Sprecherin, direkt von der Kommission und dem Europäischen Parlament vorgenommen. Die Efsa habe damit nichts zu tun. Hier ist zu ergänzen, dass der Rat die Hoheit über den Haushalt hat und auch bestimmt, welche Wissenschaftler für die Efsa-Gremien arbeiten.

Für die wissenschaftlichen Gremien gibt es die üblichen Bewerbungsverfahren. Auch Klaus-Dieter Jany kam auf diesem Weg an die Efsa. Jany sitzt im wissenschaftlichen Ausschuss der Behörde und leitet zudem das CEF-Gremium, eine Expertenrunde, die zuständig ist für „Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, Enzyme, Aromastoffe und Verarbeitungshilfsstoffe“. Kaum jemand ist mit gleich zwei Aufgaben bei der Efsa betraut, kaum jemand so präsent. Das CEF-Gremium diskutiert bei seinen regelmäßigen Treffen wissenschaftliche Analysen und gibt weitere Studien bei Forschungseinrichtungen in Auftrag. Jany arbeitet dort ehrenamtlich. Im kommenden Juli wird die Besetzung des Gremiums neu vergeben.

An einem Beispiel sei seine Arbeit verdeutlicht: am Süßstoff Stevia. Das Mittel wird aus Süßkraut (lateinisch Stevia rebaudiana) gewonnen. Das CEF-Gremium sollte einschätzen, ob dieser Stoff gesundheitsgefährdend sein kann. Die Ergebnisse der Arbeit der einzelnen Gremien lassen sich auf der Efsa-Seite im Internet nachlesen, so auch in diesem Fall. „Der Substanz wird kein mutagenes Potenzial zugeschrieben. Das Gremium folgert, dass Rebaudioside A bei der geschätzten Aufnahmemenge bei Gebrauch als Geschmacksstoff keinen Anlass zu Befürchtungen bezüglich der Sicherheit gibt.“

Egal, ob nun der Verwaltungsrat die wissenschaftliche Arbeit steuern kann oder nicht: Klaus-Dieter Jany hat als Vorsitzender des CEF-Gremiums jedenfalls Einfluss auf die wissenschaftliche Arbeit. Wie Matthias Horst hat auch Jany den Bogen ausgefüllt, in dem seine beruflichen und privaten Interessen abgefragt werden. Ein Punkt bezieht sich darauf, ob man Inhaber von Patenten ist. Obwohl auf Janys Namen gleich mehrere Patente eingetragen sind, machte er dazu keine Angaben. Darauf angesprochen, erklärt er, er habe gar nicht mehr gewusst, dass diese Patente auf ihn registriert seien. Ein Patent habe er schon früher, 1992, an das Unternehmen Röhm zurückgegeben.

Eigentlich droht Ausschluss bei Interessenkonflikten

Auch die Efsa erklärt dazu, dass Jany in seiner Arbeit für die Behörde nicht mit Fragen beschäftigt gewesen sei, die diese Patente berührten. Daher komme es zu keinem Interessenkonflikt. Die Patente beträfen Enzyme, sagt die Sprecherin. Dies ist jedoch ein Aspekt, für den Janys Gremium zuständig ist, er hätte sie also kaum verschweigen dürfen. Die Risikofolgenabschätzung zu diesen Stoffen habe in der Efsa noch gar nicht begonnen, erklärt dagegen die Sprecherin und weist zudem darauf hin, dass die Efsa eine der strengsten Prozeduren in der Welt in Bezug auf die Vermeidung von Interessenkonflikten pflege, beispielsweise müssten alle 1.700 Efsa-Experten jedes Jahr und vor jeder Sitzung ebenjene Interessenerklärungen vorlegen. Regelmäßig würden Wissenschaftler auch ausgeschlossen, wenn Interessenkonflikte bestünden. Zudem überprüften externe Gutachter regelmäßig, ob die Efsa ihrem Ideal der Unabhängigkeit gerecht werde. Auch Jany selbst sagt, er würde an entsprechenden Abstimmungen dann nicht teilnehmen, weil er sich dann befangen fühle.

Doch es bleibt die Frage, warum die Efsa überhaupt Experten beruft, die im Ruch stehen, nicht unabhängig zu sein. Denn bei Klaus-Dieter Jany gründen diese Zweifel weit in seiner Vergangenheit. Als Jany noch beim Max-Rubner-Institut für die Sicherheit gentechnisch veränderter Lebensmittel zuständig war, saß er bei Podiumsdiskussionen zu diesem Thema immer auf dem Sessel des Befürworters. Diese Auftritte waren stets ordnungsgemäß als Dienstreise genehmigt und wurden dementsprechend vom Bund bezahlt. Gerne hätte seine damalige Chefin Renate Künast Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung genutzt, um den Gentechnik-Verfechter aus dem Amt zu hebeln. Doch diesen Gefallen tat ihr Jany nicht. Außerdem war er Aufsichtsrat in einer 2002 gegründeten Beteiligungsgesellschaft, die öffentliche Gelder und Investorenkapital einwerben und in der Biotechnologie investieren wollte. Auf der Homepage des Unternehmens war zu lesen: „Die Bias EuroHolding AG […] beteiligt sich an profitablen, international ausgerichteten Unternehmungen aus dem Bereich der industriellen Nutzung traditioneller Biotechnologie unter Einbeziehung zeitnaher Erkenntnisse.“ Fünf Jahre später wurde die Bias EuroHolding wieder gelöscht.

Jany trat zudem als Gründer eines Vereins in Erscheinung, der immer dann massenweise Brandbriefe verschickte, wenn es darum ging, der Gentechnik das Wort zu reden. Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik heißt dieser Verein. Jany betonte stets, dass er die Vereinsarbeit in seiner Freizeit leistete. Dennoch unterstrich er in manchen Briefen seine Expertise mit einem Verweis auf seine Tätigkeit für das Max-Rubner-Institut. Dass ihm dies nicht zu Ärger gereichte, mag wohl auch damit zu tun haben, dass der Name seines damaligen Institutschefs auf einer Liste mit Mitgliedern eines Zusammenschlusses stand, aus dem später der Wissenschaftlerkreis wurde.

Zehn Jahre von seiner Gründung bis ins Jahr 2010 war Jany erster Vorsitzender des als gemeinnützig anerkannten Vereins. Inzwischen hat er den Ehrenvorsitz inne. Sein voriger Stellvertreter, Professor Andreas Schier, übernahm die Leitung. Schier hat an der Uni Hohenheim die Freisetzungsversuche von gentechnisch veränderten Pflanzen betreut, bis die Uni die dauernden Proteste und Feldzerstörungen von Gentechnikgegnern leid war und die Versuche für die Zukunft untersagte.

Der Verein Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik soll laut Satzung „wissenschaftliche Erkenntnisse wertfrei“ kommunizieren. Was die Gruppe unter wertneutral versteht, zeigt etwa die Tatsache, dass sie zur Pressekonferenz nach Berlin lud, nachdem der Konzern Monsanto das Erbgut des Reises entschlüsselt hatte, und dabei voller Lobesworte begrüßte, dass das Unternehmen seine Ergebnisse veröffentlichen wollte. So kam es, dass dann der Monsanto-Pressesprecher Andreas Thierfelder vor deutschen Journalisten für sein Unternehmen werben durfte. Oder die Tatsache, dass Jany im eigenen Garten die genetisch veränderte Maissorte Mon 810 des Saatgutmultis Monsanto anbaute und im deutschen Standortregister pflichtgemäß eintragen ließ. Er habe untersucht, wie sich der Anbau auf sandige Böden auswirke, berichtet Jany.

Enge Verbindungen zum US-Konzern Monsanto

Immer wieder führt eine Spur von Klaus-Dieter Jany zu Monsanto, dem US-amerikanischen Produzenten von genetisch verändertem Saatgut, der häufig Schlagzeilen machte. Jany veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Artikel gemeinsam mit Forschern, die für Monsanto tätig waren. Ein Doktorand von ihm habe nach einer Finanzierung für sein Vorhaben gesucht und Monsanto habe diesem Gelder für die Risikoforschung zur Verfügung gestellt, erklärt Jany. Die Internetseite des Wissenschaftlerkreises liegt in direkter virtueller Umgebung zu vielen Monsanto-Seiten. Das Konzept und die Programmierung der Seite erfolgte durch ein und dasselbe Unternehmen, das auch gleich mehrere Monsanto-Webseiten betreut.

Ebenfalls ein Teil dieses Netzwerkes ist ein großer amerikanischer PR-Konzern mit Sitz in Frankfurt, Burson-Marsteller. Die Profi-Meinungsmacher haben für den Europaverband der Biotechnologie ein Kommunikationskonzept entwickelt, um einen Meinungsumschwung über die Einführung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Europa zu bewirken. „Positive Wahrnehmungen“ sollten erzeugt werden, schreiben die Verfasser des an die Öffentlichkeit gelangten Papiers: „Zweifelsohne erscheint es banal, wenn man behauptet, dass es so lange kein effektives Gegengewicht zu den negativen Wahrnehmungen, die von den Gegnern auf ihren ausgewählten Schlachtfeldern erzeugt werden, geben wird, bis es gelingt, starke positive Wahrnehmungen von Bioprodukten in Europa zu generieren.“

Eine Sprecherin von EuropaBio bestätigt, dass das Papier damals in Auftrag gegeben worden sei. Ob die Version, die von Gentechnikkritikern im Internet veröffentlicht worden ist, jedoch eine originale Version sei, ein Entwurf oder die letztlich gültige Version, lasse sich heute nicht mehr aufklären. Die Sprecherin sagte, EuropaBio bewahre Dokumente nur fünf Jahre im Archiv auf.