: Rüstungsinteressen gehen vor
VERFASSUNGSGERICHT Bundesregierung muss über Rüstungsexporte erst informieren, wenn alles entschieden ist
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH
Im Juli 2011 meldeten verschiedene Medien, die Bundesregierung habe die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien grundsätzlich genehmigt. Die Grünen waren empört. Erst wenige Wochen zuvor hatte Saudi-Arabien mit Panzern geholfen, die Demokratie-Bewegung im Nachbarstaat Bahrain zu unterdrücken.
Doch die Bundesregierung ließ die Anfragen der Grünen unbeantwortet. Die Arbeit des Bundessicherheitsrats, in dem solche Entscheidungen fallen, sei geheim. Der Sicherheitsrat ist ein Ausschuss der Bundesregierung, dem die Kanzlerin und sieben Minister angehören, darunter der Außen-, Verteidigungs- und Innenminister. Über seine Entscheidungen berichtet die Regierung erst im Folgejahr und auch das recht allgemein.
Das genügt nicht, entschied nun am Dienstag das Bundesverfassungsgericht. Denn auch die Rüstungsexportpolitik der Regierung müsse vom Bundestag wirksam kontrolliert werden können.
In Erwartung eines derartigen Urteils hatte die Bundesregierung schon im Frühjahr erklärt, dass sie jetzt „unverzüglich“ – binnen 14 Tagen – über Genehmigungen des Bundessicherheitsrats informiert. So wird es bereits jetzt praktiziert.
Der Kläger Hans-Christian Ströbele (Grüne) hatte jedoch auf mehr gehofft. Er wollte, dass die Bundesregierung bereits über Voranfragen von Unternehmen, die oft Jahre vor dem eigentlichen Antrag einlaufen, und die Reaktion des Bundessicherheitsrats darauf Auskunft geben muss. Das wies das Gericht zurück, weil solche Vorabentscheide rechtlich unverbindlich seien.
Auch über die Beratungen im Bundessicherheitsrat muss die Regierung keine Auskunft geben. Dort könne nicht frei diskutiert werden, wenn später bekannt wird, welcher Minister sich für ein Rüstungsgeschäft eingesetzt hat und wer dagegen war. Hier gelte also die „exekutive Eigenverantwortung“ der Regierung.
Selbst zum Schutz der Rüstungsindustrie dürfen Auskünfte im Vorfeld einer Genehmigung verweigert werden. Wenn alles geheim bleibe, wären deutsche Rüstungsfirmen nämlich besser vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Nach Karlsruher Ansicht stellt „die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar“, das parlamentarischen Rechten vorgehe – bis zur Genehmigung des Exportantrags. Bis zu dieser „Zäsur“ hätten auch die Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Abgeordneten und der Öffentlichkeit.
Keine Auskunft muss die Regierung über die Ablehnung von Exportanträgen geben, denn dies könnte „das interessierte Land brüskieren“. Auch über Auflagen – etwa dass Panzer nicht gegen innenpolitische Gegner eingesetzt werden dürfen – muss nicht informiert werden. Jeweils stehe dem das „Staatswohl“, das heißt die außenpolitischen Interessen Deutschlands, entgegen.
Auf die Frage, ob der Leopard-Export bereits genehmigt wurde, hätte die Bundesregierung 2011 (und auch heute) nur mitteilen müssen: „Ein derartiger Antrag wurde bisher nicht genehmigt.“ Sie müsste nicht sagen, ob es überhaupt einen Antrag gibt, ob dieser abgelehnt wurde oder ob darüber noch beraten wird.
Kleines Problem am Rande: Im Grundgesetz steht, „die Bundesregierung“ genehmige die Rüstungsexporte. Dem Bundessicherheitsrat gehören aber nicht alle Minister an. Viele Rechtswissenschaftler halten den Bundessicherheitsrat deshalb für verfassungswidrig. Karlsruhe ließ die Frage jetzt einfach offen, weil sie für die Informationsansprüche nicht relevant sei. (Az. 2 BvE 5/11)
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