piwik no script img

Archiv-Artikel

Erhalten durch Aufessen

Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen baut Getreide-, Gemüse- und Obstsorten an, die zu verschwinden drohen. Hobby- und Profiköche wissen das zu schätzen

VON KLAUS LEONARD

Der „Blaue Schwede“ und die „Goldene Königin“: Was klingt, wie eine romantische Liaison zwischen zwei ungleichen Liebenden, sind in Wahrheit die Namen von alten, fast vergessenen Gemüsesorten. Der „Blaue Schwede“ ist eine blaufarbige, würzig schmeckende Kartoffelsorte, wunderbar geeignet für einen leckeren, etwas anderen Sommerkartoffelsalat. Die „Goldene Königin“ ist eine kleine, goldgelbe und ausgesprochen aromatische historische Tomatensorte.

Viele dieser besonderen Kultursorten findet man heute nur noch vereinzelt. Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg e. V. (Vern) baut nach GÄA-Richtlinien eine Vielzahl von Getreide, Gemüse und Obst an. Die Erhaltung von fast vergessenen, oft auch traditionell regional angebauten Kulturpflanzen ist die zentrale Aufgabe, welcher sich der Verein seit mittlerweile zehn Jahren verschrieben hat. Beeindruckend sind die 170 Tomatensorten, die interessierte Besucher in seinem Schaugarten bewundern können. Ihr Aussehen reicht von winzig klein bis zu einer Größe von Pampelmusen, von grün über gestreift bis rot und gelb sowie von rund über birnen- bis herzförmig. Die „Goldene Königin“ gehört zu diesen Augen- und Gaumenfreuden: klein, goldgelb und ausgesprochen aromatisch.

Einiges von dem, was in Kooperation mit Bio-Landwirten des Vern-Netzwerks angebaut wird, hat mittlerweile auch Eingang in die Sterne-Gastronomie gefunden. So erleben Kartoffelsorten wie die „Heideniere“ oder die wohlklingende, weißfarbige Bete „Albina Veredura“ eine wahre Renaissance in den Gourmetküchen Berlins.

„Toll“, schwärmt etwa Spitzenkoch Michael Hoffmann, Chef des Restaurants Margaux am Brandenburger Tor. „Mit den alten Sorten fängt für mich eine neue Vielfalt in der Küche an, die so intensiv in ihrem Geschmack ist, dass man dazu neigt, Vegetarier zu werden“, so Hoffmann. „Die Vorfreude auf das, was kommt, wird in jedem Jahr größer und die Regionalität in der gehobenen Gastronomie bekommt eine neue Dimension. Das bedeutet ein Stück Essenskultur in einer Vielfalt und Schönheit der Produkte, wie ich es selten erlebt habe, und ich hoffe, dass dadurch ein neues Bewusstsein in unseren Küchen eintritt.“

Doch nicht nur die Gäste von Michael Hoffmann können in den Genuss des vielfältigen Angebots kommen. Wer auf der Suche nach Geschmackserlebnissen für den eigenen Garten oder die Küche ist, kann den vom Vern auf zahlreichen Veranstaltungen betriebenen Informationsstand um und in Berlin besuchen. An diesem Stand können Jungpflanzen und Erhaltungssaatgut für Garten und Balkon gekauft und Kostproben von historischen Gemüsesorten für die Küche erworben werden. Ausgewählte Termine sind auf der Website des Vereins abrufbar. Jeden Donnerstag und Sonntag ist der Vern mit seinem „Vielfaltenstand“ in Prenzlauer Berg auf dem Ökomarkt am Kollwitzplatz vertreten.

Ob im Restaurant oder aus dem eigenen Garten, historische Gemüsesorten bieten Abwechslung auf dem Teller. Gutes tun und Genuss lassen sich miteinander verbinden: Mit den alten Sorten kann nicht nur der Hunger abwechslungsreich gestillt, sondern auch etwas für den Erhalt von biologischer Vielfalt getan werden. Da Geschmacksvielfalt nicht von alleine kommt, sollte beherzt angebaut, geerntet und zugelangt werden. Es gilt: „Erhalten durch Aufessen!“ Guten Appetit!

VERN e. V., Burgstr. 20, 16278 Greiffenberg/Uckermark, Tel. (03 33 34) 7 02 32, www.vern.de