: Böhmisches Dorf will nicht Zielscheibe sein
71 der 72 WählerInnen von Trokavec lehnen US-Radarstation ab. Bürgermeister fordert mehr Informationen
PRAG taz ■ Eindeutiger kann ein Nein kaum sein: 71 von 72 Wählern des böhmischen Dörfchens Trokavec haben in einem Lokalreferendum am Samstag gegen den Bau der geplanten US-amerikanischen Radaranlage gestimmt. Die soll, als Teil des amerikanischen Raketenschutzschilds, angeblich die westliche Welt vor Angriffen aus den sogenannten Schurkenstaaten schützen.
Teheran, Pjöngjang und Washington sind in Trokavec fern. Dem 100-Seelen-Ort fehlen eine Schule und eine Post, der Bus in die nächstgrößere Ortschaft fährt nur sechsmal am Tag. Auch die Kanalisation lässt zu wünschen übrig. Doch für keine Kanalisation der Welt würde er Trokavec verkaufen, sagt Bürgermeister Jan Neoral. Denn man hat nicht nur Angst, wegen des Radars im Ernstfall zur Zielscheibe zu werden, man fürchtet sich auch vor den gesundheitlichen Risiken, die die Anlage birgt. Schließlich soll das Radar nur zwei Kilometer von Trokavec entfernt stehen, an der südlichen Grenze des Militärsperrgebiets Brdy. „Ich freue mich über das Ergebnis, es ist wie erwartet ausgefallen“, sagt Bürgermeister Neoral. „Das ist ein klares Signal für die Regierung, dass sie nicht ohne uns über uns verhandeln soll“, meint er. Ihm gefalle vor allem nicht, dass die Regierung wie auch der Kreis Mittelböhmen, zu dem Trokavec gehört, nicht genug Informationen über das Radar hat. „Die tun so, als ob es letztendlich gesünder wäre als ein Krankenhaus“, sagt Neoral.
Seine große Befürchtung ist, dass das Radar den 100-Seelen-Ort zum Geisterdorf machen könnte, dass die Bewohner einfach wegziehen. Die Regierung, eine Koalition aus Liberalen, Christdemokraten und Grünen, sagt nun, das Referendum habe viel zu früh stattgefunden. „Die Leute habe entschieden, ohne genug Informationen gehabt zu haben“, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Kateřina Jacques das Ergebnis.
Die Opposition aus Sozialdemokraten und Kommunisten dagegen warnt die Regierung, das Resultat von Trokavec nicht ernst zu nehmen. Beide Parteien fordern, über den Bau der Radaranlage per Volksabstimmung zu entscheiden. Umfragen zufolge sind gut zwei Drittel der Tschechen gegen das Radar. SASCHA MOSTYN