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Archiv-Artikel

Brandsätze von M.A.M.I.

Seit zwei Jahren begleitet eine „militante Kampagne“ die Vorbereitung des G-8-Gipfels. Polizei scheint im Dunkeln zu tappen

AUS WIESBADEN CHRISTIAN RATH

Mit einer Serie von Brandanschlägen begleiten militante linke Gruppen die Vorbereitung auf den bevorstehenden G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm. Ein Brandanschlag pro Monat, das ist ungefähr der Rhythmus. Die Täter sprechen von einer „militanten Kampagne“.

Vergleichbares hat es bei bisherigen G-8-Gipfeln und ähnlichen Politereignissen noch nicht gegeben. Inzwischen hat das Bundeskriminalamt (BKA) bereits 18 Brandanschläge gezählt. Die Generalbundesanwältin Monika Harms ermittelt derzeit bei 15 Anschlägen wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“.

Angefangen hat alles im Juli 2005 im niedersächsischen Hollenstedt. Unbekannte verübten einen Brandanschlag auf das Auto des Industriellen Werner Marnette, Vorstandsvorsitzender des Kupferkonzerns Norddeutsche Affinerie. In einem Bekennerschreiben schlugen sie eine „breite, auch militante Kampagne“ gegen den G-8-Gipfel vor. Andere Gruppen nahmen den Begriff „militante Kampagne“ in ihren Bekennerschreiben nach ähnlichen Angriffen auf.

Angegriffen werden nur Fahrzeuge und Gebäude. Menschen kamen bisher nicht zu Schaden. Sogar in Verfassungsschutzkreisen wird betont, dass bisher stets darauf geachtet wurde, niemand zu gefährden. Eine Rückkehr des RAF-Genickschussterrors ist also nicht zu befürchten. Den größten Schaden verursachte bisher mit 2,2 Millionen Euro der Brandanschlag auf das Gästehaus des Auswärtigen Amtes im Oktober 2005 in Berlin-Reinickendorf.

Fast alle Anschläge fanden in den Regionen Berlin und Hamburg statt. In Berlin ist dies nichts völlig Neues, dort agiert die militante Gruppe (mg) schon seit 2001 und versucht, sich mit Anschlägen in sozialen Auseinandersetzungen zu Wort zu melden. So begleitete sie die Hartz-IV-Proteste mit einem Brandanschlag auf das Sozialamt Tempelhof-Schöneberg. In Hamburg hat es dergleichen in den letzten Jahren dagegen kaum gegeben.

Die „mg“ ist bisher auch die einzige bekannte Gruppe, die sich zu Anschlägen bekannt hat. Meist firmieren die Täter unter kurzlebigen Fantasienamen wie „Militante antimilitaristische Initiative (M.A.M.I.)“. Verhaftet wurde wegen der Anschläge noch niemand, nicht einmal Hausdurchsuchungen gab es. Die Behörden scheinen im Dunkeln zu tappen. Es ist sogar unklar, um wie viele Tätergruppen es sich handelt. Beim BKA geht man davon aus, dass die Anschläge auf das Konto mehrerer selbstständig agierender Gruppen gehen. Neben dem legalen Alltagsleben führen deren Mitglieder ihrem Selbstverständnis nach nur gelegentlich illegale („klandestine“) Aktionen durch.

Bei manchen Bekennerschreiben wirkt der Bezug auf den Weltwirtschaftsgipfel arg konstruiert. Man könnte meinen, die Kritik an einem bestimmten Konzern wird vor allem deshalb in den G-8-Kontext gestellt, um ihr mehr szeneöffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Anderen Gruppen geht es dagegen weniger um das konkrete Anschlagsziel als um den Aufbau einer langfristigen revolutionären Perspektive. Vielleicht deshalb ist die Szene auch nicht richtig zufrieden. „Ein paar versprengte militante Aktionen machen noch keinen heißen Sommer“, schreibt der „revolutionäre aufbau berlin“.

Auch bei der Bundesanwaltschaft wird 30 Jahre nach der RAF-Offensive 1977 auffallend wenig Wind um die „militante Kampagne“ gemacht. Monika Harms weiß, dass sie für derartige Anschläge eigentlich nicht zuständig ist. Seit einer rot-grünen Milderung von § 129a im Jahr 2003 gelten Brandanschläge und Ähnliches nur noch dann als Terrorismus, wenn sie einen Staat oder eine internationale Organisation „erheblich schädigen“ können. Das lässt sich von den bisherigen 18 Brandanschlägen nicht sagen.

Neben den Brandanschlägen zählte das BKA noch 63 weitere Straftaten im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel, die die Behörden aber nicht als Terrorismus einstuften und die deshalb von den örtlichen Staatsanwaltschaften bearbeitet werden. Am bekanntesten sind die Farbschmierereien am Wohnhaus des SPD-Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, sowie am Tagungshotel in Heiligendamm.