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Archiv-Artikel

nebensachen aus kairo Böser Blick mit Folgen oder Ist das Auto erst ruiniert, fährt es sich völlig ungeniert

Es war ein echter Glücksmoment. Das Auto war brandneu, die Sitze rochen nach Fabrik, silbergrau lächelte mich die noch unbeschädigte Karosserie an. Kurzum: Ich hatte ein gutes Gefühl, als ich kürzlich erstmals in meinem Leben einen echten Neuwagen von der Rampe des Autohauses auf die Straße gleiten ließ.

So schlimm wird es schon nicht werden, dachte ich, immerhin habe ich mehr als ein Jahrzehnt Fahrerfahrung auf Ägyptens chaotischen Straßen. Sicher, ich hatte noch die Geschichte eines Bekannten im Hinterkopf, der sich vor Jahren einen neuen Wagen anschaffte und es nach einer Woche schweißtreibender Fahrt nicht mehr aushielt: Er nahm einen Hammer und fügte seinem Fahrzeug höchstpersönlich den ersten Schaden zu. Fortan fuhr er völlig entspannt.

Zaghaft lenkte ich also mein Auto durch Kairos Verkehrsadern. Alle anderen Fahrer schienen blitzschnell erfasst zu haben, dass überall auf meinem Modell Baujahr 2007 leuchtete. Brutal schoben sie ihre alten, schäbigen, ausgebeulten Karossen im Kreisverkehr vor mein funkelnagelneues Gefährt. Jede kleine Schlacht ging an meine Gegner, die immer wieder neue Spuren vor mir eröffneten und sich gnadenlos die Vorfahrt raubten. Für meine Nachbarn war die Lösung des Problems keine Frage. „Du musst vor dem Auto ein Schaf schlachten, deine Hände in das Blut tauchen und auf die Karosserie pressen. Nur so lässt sich der böse Blick der Neider abwehren.“ Dann müsse das Fleisch an die Armen verteilt werden. „Tust du das nicht, hast du bald einen Unfall“, warnte meine Putzfrau.

Ich wollte gerade losfahren, um ein lebendes Schaf zu besorgen, als meine zehnjährige Tochter mich bremste. „Es kommt nicht in die Tüte, ein Lebewesen jämmerlich für eine Maschine abzuschlachten“, argumentierte sie. Wenn ich das machte, würde sie nie in das Auto einsteigen.

Also ließ ich das Schaf Schaf sein. Misstrauisch zog ich meiner Wege, immer auf der Suche nach dem bösen Blick. Drei Tage später war es so weit. Ich stand nachts an einer Kreuzung, als ich ein Knirschen hinter mir vernahm. Ein Sammeltaxi hatte die linke Rückleuchte zerschmettert. Wie in solchen Fällen üblich schreit man sich an, um dann weiterzufahren. Versicherungen sind in Ägypten ein Fremdwort, und Sammeltaxifahrer haben meist gerade genug Geld dabei, um ihr Fahrzeug halb aufzutanken und eine Mahlzeit zu kaufen. Der Ärger machte dann aber schnell Erleichterung Platz nach dem Motto: Ist das Auto erst ruiniert, fährt es sich völlig ungeniert.

Übrigens hatten die Nachbarn gleich wieder einen neuen Rat parat. Die Rückleuchte sollte ich auf keinen Fall reparieren lassen. Denn mit dem gut sichtbaren Schaden würden sich die Neider sicher zufriedengeben und ihren bösen Blick wieder auf andere Dinge lenken. Eigentlich ein tröstlicher Gedanke: Zwar hat mein Neuwagen an Wert verloren, dafür ist er aber hoffentlich vor bösen Geistern geschützt – eine unbezahlbare Wertsteigerung. KARIM EL-GAWHARY