piwik no script img

Archiv-Artikel

Notgedrungen zwanghaft

ERÖFFNUNGSGOTTESDIENST Gott hat einfach nichts zum Sport gesagt – was kann man da bloß tun?

Nein, so sehr man auch sucht: Man findet weder im Alten Testament noch im Neuen ein Wort zum Sport – sieht man mal von diesen dürren, nur allegorisch gemeinten Sätzen des Paulus im 1. Brief an die Korinther ab, dass man sich um das Heil mühen solle wie ein „Läufer im Stadion“ oder ein Boxer (1. Korinther 9, 24–27). Diese Referenzarmut macht kirchliche Aussagen zur sportlichen Ertüchtigung immer etwas dürftig, nötigt sie auf die Meta-Ebene oder macht sie allzu oft etwas peinlich. Denn, verdammt!, was meint denn jetzt der liebe Gott zum Sport?

An dieser Schwierigkeit litt am Sonntagmittag auch der Eröffnungsgottesdienst zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in der Berliner Gedächtniskirche. Obwohl staatlich-bürgerlich geadelt durch die Anwesenheit von Bundespräsident Wulff, Sportminister Friedrich und DFB-Präsident Zwanziger, hatte der Gottesdienst fast notgedrungen etwas Zwanghaftes: Zwar gab es schöne Musik, vor allem von der Soulsängerin Jocelyn B. Smith, ein paar kluge Worte etwa vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, und vom „Sportbischof“ der katholischen Kirche, Michael Peters. Aber warum die Kirchen nun auch zu einer Fußballweltmeisterschaft etwas sagen müssen, ja den Segen Gottes dafür erbitten – das blieb am Ende im Nebel des gut Gemeinten.

Erfrischend, immerhin, war der sportlich-treibende, gehetzte Sprachstil von Venus El-Kassem, einer Spielerin der U17-Nationalmannschaft, beim Vortrag der Lesung, einer Stelle aus dem Brief des Paulus an die Kolosser: So viel echter Rap war selten in einer Kirche. PHILIPP GESSLER