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Archiv-Artikel

Tschechiens Hauptstadt im Ausnahmezustand

Vor dem Prag-Besuch von US-Präsident Bush herrscht Alarmstufe eins. Der will für den Raketenschutzschild werben

PRAG taz ■ Airforce One heißt Alarmstufe eins. Auf seinem Weg zum G-8-Gipfel macht US-Präsident George W. Bush Zwischenstopp in Neueuropa. Während er heute und morgen in Prag den US-Raketenschutzschild anpreisen wird, steht die Stadt Kopf.

Heiligendamm lässt grüßen. Gesperrte Straßen, verschweißte Kanaldeckel, und Scharfschützen in Bereitschaft. Der Besuch des US-Präsidenten legt das Prager Leben lahm. Am Dienstag, wenn die offiziellen Verhandlungen Bushs mit seinen tschechischen Gastgebern beginnen werden, wird die Prager Burg von der Außenwelt abgeschnitten sein. Wer im näheren Umfeld wohnt, wird nur nach Personenkontrolle in das Viertel gelassen.

Gewarnt sind alle, die sich im Dunstkreis des Präsidententrosses wiederfinden könnten. Am besten den Kopf nicht zu weit aus dem Fenster halten, warnte die Staatsmacht vor dem Besuch. Den Tschechen geht es auch ums Prestige. Immerhin, frohlocken die Medien, darf ein tschechischer Bodyguard Bush schützen.

Damit auch ja kein falscher Eindruck entsteht, hat der Prager Magistrat schon vier geplante Demonstrationen verboten. Tausende von Demonstranten werden aber heute Abend auf einer Kundgebung gegen den geplanten Bau des US-Radars in Tschechien erwartet. Rund zwei Drittel der Tschechen sind gegen die Anlage, die die USA als Teil ihres Raketenabwehrschirms in Mittelböhmen stationieren wollen.

Um den Radar geht es Bush, wenn er am Dienstag zu Gesprächen mit dem tschechischen Präsidenten Václav Klaus, Ministerpräsidenten Mirek Topolánek und Oppositionsführer Jiří Paroubek zusammentreffen wird. Ein Geschenk hat der Mann aus Amerika mit im Gepäck: „Visa sind nicht fair“, sagte Bush der tschechischen Tageszeitung MF Dnes. Damit sprach er vielen Tschechen aus der Seele, die sich über die US-Visapflicht ärgern. Mehr als vage Andeutungen, die Teilnahme Tschechiens an den US-Star-Wars-Plänen mit einer Abschaffung der Visapflicht zu belohnen, machte Bush nicht. Solange das Zuckerbrot nicht greifbar ist, wird die Peitsche geschwungen: Kein Radar könnte die Wiedereinführung der Wehrpflicht bedeuten, drohte Tschechiens Vizepremier Alexandr Vondra. SASCHA MOSTYN