piwik no script img

Archiv-Artikel

Hans, übernehmen Sie!

Wegen seiner hohen Schulden bekommt Marl als zweite Kommune in Nordrhein-Westfalen einen externen Sparberater. Trotz guter Steuerentwicklung häufen die Städte im Land weiter Miese an

VON KLAUS JANSEN

Marl sucht einen Retter: Weil die Ruhrgebietsstadt sich nicht in der Lage sieht, ihre insgesamt 300 Millionen Euro Schulden abzutragen, soll nun ein von der Bezirksregierung Münster entsandter so genannter Sparberater den Haushalt der Kommune in Ordnung bringen. In Marl „geht nichts mehr“, sagte die parteilose Bürgermeisterin Uta Heinrich. „Dieser Schritt ist ein Armutszeugnis für uns politisch Verantwortliche. Aber es scheint, als sei dies der einzige Ausweg“, sagt der örtliche SPD-Chef Peter Wenzel. Wer den Job antreten soll, wird frühestens in der kommenden Woche entschieden.

Vor der Zwangsverwaltung durch einen staatlichen Sparkommissar gilt der Einsatz eines Sparberaters als vorletztes Mittel, um eine Kommune vor dem Finanzkollaps zu bewahren. Anders als in der Stadt Waltrop, die einen solchen Nothelfer vor eineinhalb Jahren gegen ihren Willen vorgesetzt bekommen hatte, haben die Marler Politiker allerdings um Beratung gebeten: Die lokalen Parteien und das Wahlbündnis der Bürgermeisterin sind zerstritten und blockieren sich gegenseitig, so dass eine Haushaltssanierung aus eigener Kraft unmöglich erscheint. „Es gab bei uns schon immer politische Raufhändel, aber im vergangenen Jahr sind sie eskaliert“, sagt SPD-Mann Wenzel.

Ob ein Sparberater tatsächlich zur Sanierung einer Stadt beiträgt, ist allerdings umstritten. Die Modellkommune Waltrop etwa hat auf Veranlassung ihres neuen Aufpassers das städtische Allwetterbad geschlossen und höhere Abwassergebühren angekündigt – die Schulden jedoch sind nicht entscheidend gesunken. „Zunächst einmal kostet uns der Berater mit Gehalt, Büro und Gutachterausgaben 220.000 Euro im Jahr“, sagt der grüne Ratsherr Lars Holtkamp. Der an der Fernuniversität Hagen lehrende Politikwissenschaftler kritisiert das „fehlende Gesamtkonzept“ des Beraters und den „Demokratieverlust“ durch dessen Einsatz. „Es ist jetzt viel weniger transparent, warum welche Entscheidung getroffen wird“, sagt er. Auch der Marler SPDler Wenzel fürchtet nun, dass in seiner Stadt künftig vor allem auf Kosten der Bedürftigen gespart werden könnte.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hält sich mit Wertungen zum Einsatz der Sparberater bislang zurück: In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten sich CDU und FDP noch eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vorgenommen, in Einzelfällen wird deren Beschränkung jedoch zumindest toleriert. Dies könnte auch daran liegen, dass die meisten Städte ihre Schuldenlast auch in guten Zeiten nicht von allein reduzieren: Laut dem am Mittwoch von Innenminister Ingo Wolf (FDP) vorgestellten Kommunalfinanzbericht haben die nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden im vergangenen Jahr einem Gewerbesteuerplus von 1,9 Milliarden Euro zum Trotz 1,5 Milliarden Euro an neuen Krediten aufgenommen.