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Archiv-Artikel

Energie nur auf Bezugsschein

Architekt und Autor Holger König hat ein Modell erfunden, mit dessen Hilfe sich die Öko-Bilanz eines Hauses erstellen lässt. Zudem prüft er Baustoffe auf Umweltfreundlichkeit. Fazit: Damit sich etwas bewegt, muss Kohlendioxid richtig teuer werden

HOLGER KÖNIG, 55, Architekt und Autor. Erfand 2000 den Öko-Energiepass und leitet eine Firma, die die Öko-Qualität von Baustoffen kontrolliert.

INTERVIEW KATRIN BONNY

taz: Herr König, Sie haben ein Modell zur Berechnung der Klimafreundlichkeit von Neubauten erstellt. Wie funktioniert es?

Holger König: Das Berechnungsmodell, das ich entworfen habe, gibt es in dieser Kombination von Daten so bislang noch nicht. Die CO2/Kilo-Belastung bei der Herstellung von Baustoffen, die ich so errechnen kann, ist allerdings nur ein Aspekt in der Ökobilanz eines Hauses, für die es mindestens zehn Kriterien gibt. Denn ein Haus ist natürlich ein komplexes Gebilde. Auch mein Berechnungsmodell beantwortet nämlich nicht die höchst entscheidende Frage, welches ein guter Durchschnittswert für die Ökobilanz eines Hauses insgesamt ist.

Ist Ihr Modell Grundlage für staatliche Richtlinien?

Für die staatliche Förderung von Niedrigenergiehäusern und die Bewilligung von Ökokrediten sind die mit unserem Modell berechneten Werte bereits verbindliche Größen.

Wie klimafreundlich sind Deutschlands Häuser denn bislang überhaupt?

Momentan ist der Energieverbrauch im Zuge der Klimaveränderung ein populäres Thema, ähnlich, wie es in den Neunzigern die Ozon-Diskussion war. Neben der – je nach Dämmung variierenden – Beheizung und Beleuchtung eines Hauses geht es natürlich auch um den Energieaufwand bei der Herstellung der Baustoffe, sprich: Um den Verbrauch fossiler Brennstoffe und Kernenergie. Fossile Energieträger gibt es nur in begrenzter Menge, und der CO2-Ausstoß ist kein neues Problem. Langfristig sollte man deshalb kostenpflichtige Bezugsscheine für CO2-Einheiten einführen, in denen jedes Tanken und jeder Flug verbucht sind. Das könnte das Energiebewusstsein schärfen. Denn wenn es teuer wird, fangen die Leute vielleicht doch an nachzudenken.

Inwiefern können die Architekten konkret zum Klimaschutz beitragen? Sie selbst zählen ja auch zu dieser Branche. Wie klimafreundlich sind die von Ihnen realisierten Bauten?

Alle unsere Berechnungen zeigen, dass in einem Land, dessen Gebäude zu 80 Prozent aus Stein bestehen, nachwachsende Rohstoffe am vorteilhaftesten sind. Die von mir entworfenen Gebäude – 50 Einfamilienhäuser, eine Waldorfschule und ein Kindergarten in Niedrigenergiebauweise – haben gut abgeschnitten. Der Verbrauch ist aber natürlich auch benutzerabhängig.

Was hat sich in den letzten zehn Jahren in puncto Klimaschutz beim Bauen überhaupt bewegt?

Solche Vorgänge dauern natürlich immer: 1997 habe ich das erste Forschungsprojekt zu dem Thema bearbeitet, 2.000 haben wir unser Berechnungsmodell herausgebracht, und heute vertreiben wir es als Mini-Unternehmen. Derzeit sind etwa 200 Software-Versionen unseres Modells im Umlauf. Die meisten werden allerdings für Lehrzwecke verwendet. Im europäischen Vergleich ist Deutschland das Land, in dem Klimaschutz stark vom Engagement Einzelner abhängt. Die Politik hinkt da ein bisschen hinterher. Aber natürlich haben die innovativen Baustofffirmen gute Zukunftsperspektiven. Und ich Öko-Freak sitze, wenn über die Herstellung von Baustoffen beraten wird, inzwischen permanent in EU-Gremien.

Woran kann sich der Verbraucher im Baustoffangebot orientieren?

Es gibt Verbraucherschutzgesetze, Ratgeber und Verbände, die aber alle unzureichend informieren. Mir geht es aber vor allem um die Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Baumaterialien. Die gibt es bis heute nicht. Da muss man mühsam herumsuchen.

Was kostet es, ein Haus nach Ihrem Modell auf Klimafreundlichkeit hin berechnen zu lassen?

Je nach Objektgröße kostet die Berechnung der CO2/Kilo-Belastung bis zu 500 Euro. Der Kostenunterschied zwischen einem biologischen Einzelbaustoff und einem nicht-biologischen kann bis zu 100 Prozent betragen. Insgesamt erhöhen sich die Baukosten beim Ökohaus allerdings um maximal zehn Prozent.