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Archiv-Artikel

Türkisch-irakische Grenze gesperrt

Nach Tagen der militärischen Geplänkel und Gerüchte über einen bevorstehenden türkischen Einmarsch in den Nordirak hat die Türkei jetzt über drei Provinzen den Ausnahmezustand verhängt. Ziel ist eine Sicherheitszone gegen die kurdische PKK

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Mit der Einrichtung einer militärischen Sicherheitszone entlang der irakischen Grenze will die türkische Armee in Zukunft verhindern, dass weiterhin Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) aus dem Nordirak in die Türkei einsickern, um dort Anschläge zu verüben. Über drei Provinzen, Hakkari, Siiert und Sirnak wurde eine Art Ausnahmezustand verhängt, der zunächst für drei Monate gelten soll. Der einzige Grenzübergang zum Nordirak wurde geschlossen, zivile Flugzeuge dürfen das Gebiet nicht mehr überfliegen, der gesamte Verkehr wird streng kontrolliert, und die Provinzen sind für Journalisten gesperrt worden.

Seit Wochen zieht das Militär entlang der irakischen Grenze Truppen zusammen. Nach unbestätigten Berichten sollen bereits über 200.000 Soldaten in den drei Provinzen stationiert worden sein. Meldungen, das türkische Militär hätte bereits auf breiter Front die Grenze zum Nordirak überschritten, um die dortigen Rückzugslager der kurdischen Separatisten anzugreifen, wurden allerdings sowohl von der Armeeführung als auch von der kurdischen nordirakischen Regionalregierung dementiert. Stattdessen bestätigten Armeesprecher, es habe eine begrenzte Operation über die Grenze zur „Verfolgung von PKK-Terroristen“ gegeben.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten gestern die irakischen Kurdenführer Massoud Barsani, der im Moment auch die Regionalregierung der kurdischen Autonomiezone leitet, und Jelal Talabani, zurzeit irakischer Staatspräsident, klar, dass Aktionen der türkischen Armee auf irakischem Territorium völkerrechtswidrige Übergriffe seien, die nicht toleriert würden. Notfalls werde man die eigene Armee dagegen mobilisieren.

Angesichts immer neuer Anschläge der PKK hält dagegen in der Türkei die Debatte um einen Einmarsch türkischer Truppen im Nordirak unvermindert an. Vor zwei Wochen hatte die PKK bei einem Selbstmordanschlag im Zentrum von Ankara sieben Menschen getötet. Anfang dieser Woche starben bei einem weiteren Selbstmordattentat auf eine Gendarmeriestation sieben Rekruten. Und in der Nacht zu gestern wurde ein Militärtransporter mit einer ferngesteuerten Bombe angegriffen und erneut drei Soldaten getötet. Die Attentate haben die Stimmung in der Bevölkerung, von den Medien durch eine entsprechende Berichterstattung zusätzlich angeheizt, mittlerweile so hoch geputscht, dass der Druck auf Regierung und Militärführung enorm gewachsen ist.

Generalstabschef Yasar Büyükanit drängt deshalb schon seit längerem darauf, dass Ministerpräsident Tayyip Erdogan einer Militärintervention im Nordirak zustimmt. Erdogan fürchtet aber nicht nur die unabsehbaren militärischen Konsequenzen eines Einmarsches im Nordirak, sondern wird auch von den USA und der Europäische Union unter Druck gesetzt, keinesfalls zu intervenieren.

Vor allem Bush und seine Militärs fürchten, dass durch eine türkische Militäroperation auch der bislang noch relativ stabile Norden des Irak ins Chaos gestürzt wird. Erdogan hat Bush im Gegenzug öffentlich aufgefordert, dann selbst dafür zu sorgen, dass die PKK vom Nordirak aus nicht mehr agieren kann. „Wir wollen keine Worte mehr hören, sondern endlich Taten sehen“, sagte er im Fernsehinterview.

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