„Selbstanzeige bleibt machbar“

STRAFLOSIGKEIT Bekennende Steuerhinterzieher sollen mehr nachzahlen. Dennoch wird es genügend Gründe geben, sich selbst anzuzeigen, sagt Steueranwalt Markus Füllsack

■ 51, ist Fachanwalt für Steuerrecht bei der Kanzlei KMZ in Sindelfingen. Bis 1995 leitete er die Straf- und Bußgeldstelle beim Finanzamt Stuttgart.

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Füllsack, wie laufen die Geschäfte? Werden Sie von Steuerhinterziehern überrannt, die schnell noch eine strafbefreiende Selbstanzeige machen wollen?

Markus Füllsack: Vor allem im ersten Halbjahr 2014 war extrem viel los. Das lag aber nicht nur an der geplanten Reform der Selbstanzeige, sondern auch an den Medienhypes um den Prozess gegen Uli Hoeneß und die Selbstanzeige von Alice Schwarzer.

Ab 2015 sollen bei der Selbstanzeige zehn Jahre korrekt offenbart werden, statt bislang fünf. Ist das überhaupt realistisch?

Das macht die Selbstanzeige zwar mehr als doppelt so aufwendig. Und weil es um ältere Vorgänge geht, vergisst man auch leichter etwas. Eine Selbstanzeige ist dann aber immer noch machbar. Bei besonders schweren Fällen musste auch bisher schon für zehn Jahre korrekt berichtigt werden.

Nimmt der Fiskus künftig auch doppelt so viel ein?

Nein. Bisher schon fordert das Finanzamt nach einer Selbstanzeige die hinterzogenen Steuern der letzten zehn Jahre nach. Teilweise hat es die Summen dabei geschätzt. Künftig kann es für die ganzen zehn Jahre stets die Daten der Selbstanzeige nutzen.

Wenn die sie aber nicht ausreichend korrekt war …

… dann wird sie dennoch strafmildernd berücksichtigt. Denken Sie nur an das Hoeneß-Urteil. Obwohl Uli Hoeneß 28,5 Millionen Euro hinterzogen hat, galt sein Verhalten nicht als „besonders schwerer Fall“ und er kam mit dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe relativ milde davon. Begründung: Ohne den Versuch einer Selbstanzeige hätte er gar nicht verurteilt werden können.

Künftig sollen nach einer Selbstanzeige häufiger Strafzuschläge verhängt werden. Wird eine Selbstanzeige unattraktiv ?

Nein. Wer bereit ist, auf Vermögen zu verzichten, um strafrechtliche Risiken zu vermeiden, sollte dies auch künftig tun. In der zu zahlenden Gesamtsumme fallen die Strafzuschläge meist nicht groß ins Gewicht. Es muss ja auch die hinterzogene Summe in voller Höhe zurückgezahlt werden, plus Hinterziehungszinsen für jedes Jahr.

■ Die Bundesregierung will Bedingungen für Steuerhinterzieher, die sich selbst anzeigen, ab Januar 2015 verschärfen. Am Donnerstag berät der Bundestag erstmals den Gesetzentwurf. Künftig müssen bei Selbstanzeigen die letzten zehn Jahre – statt bisher fünf – vollständig und richtig bilanziert werden. (taz)

Kritiker unken, ab 2015 sei die Selbstanzeige tot. Sie nicht?

Es wird weiter viele Anlässe geben, über eine Selbstanzeige nachzudenken: Schweizer Banken kündigen deutschen Kunden ohne Steuernachweis das Konto. Der deutsche Fiskus kann bei OECD-Staaten anlasslose Anfragen nach verdächtigen Konten stellen, wie derzeit in Österreich. Ab 2017 tauschen die EU-Staaten automatisch Konto-Informationen aus, ebenso über 50 Staaten weltweit. Dennoch sind viele der größten Vermögen immer noch illegal im Ausland.

Warum?

Viele denken noch „Augen zu und durch“. Sie hoffen zum Beispiel weiter auf die Personalknappheit bei der Steuerverwaltung. Ich finde das hochriskant. Je länger jemand die Chance zur Selbstanzeige verstreichen lässt, desto weniger Milde hat er zu erwarten, wenn er entdeckt wird.