DVDESK
: Der Film, den Goebbels hasste

Die Edition „Peter Pewas. Filme 1932–67“ umfasst 2 DVDs und ist im Handel ab rund 30 Euro erhältlich

Peter Pewas’ Filmdebüt wurde in Nazideutschland nie öffentlich gezeigt

Peter Pewas heißt eigentlich Walter Schulz, bricht eine Lehre zum Schlosser ab, zieht als Topflöter durch Tirol, studiert am Bauhaus bei Klee, Kandinsky und Moholy-Nagy, hat erste Erfolge als Grafiker mit montageartigen Filmplakaten, wird 1939 Regiestudent an der neu gegründeten Deutschen Filmakademie und bekommt 1943 die Chance, seinen ersten Spielfilm zu drehen, Titel: „Der verzauberte Tag“. Josef Goebbels sieht den Film, ist empört, Pewas’ Debütfilm wird in Nazideutschland nie öffentlich gezeigt.

Das hat sich der Film, muss man zu seinen Gunsten sagen, redlich verdient. „Der verzauberte Tag“ hat weder mit der tragikumflorten Reichswasserleichen-Schwermut noch mit der strammen Fröhlichkeit des üblichen Ufa-Kinos etwas zu tun. Die zeitlich nicht weiter situierte Geschichte stellt zwei Frauen ins Zentrum, die an einem Bahnhofskiosk die Fenster nebeneinander bedienen. Sie verkaufen Süßigkeiten, aber auch die Zeitschrift „Filmwelt“ liegt aus. Mit amourösen Absichten kommt von Zeit zu Zeit der Bahnhofsvorsteher vorbei.

Man träumt wie im Heftchenroman, von dem der Plot so weit nicht entfernt ist, davon, dass das Schicksal die große Liebe auf Gleis eins oder zwei herbeitransportiert. Die brünette Anni (Eva Maria Meineke) erfindet sich einen Verlobten, die blonde Christine (Winnie Marcus) hat einen, kann ihn aber nicht ausstehen. Sie wird ihn rasch los, als dann ein Professor und Maler tatsächlich, wenngleich mehr versehentlich als schicksalhaft, Einfahrt erhält in ihr Leben. Einen verzauberten Tag lang führt alles scheinbar ins reine Vergnügen; eine virtuose nächtliche Mehrfach-Überblendung und einen Schuss später nähert sich alles einem schrecklichen Ende. Ganz zuletzt geht es dann doch in ein gemischteres Glück.

Man erkennt in „Der verzauberte Tag“ in jedem Bild und jeder Einstellung den Grafikdesigner. Nicht, weil es Pewas mit den Licht- und Schattenspielen, mit seinen die Räume eröffnenden Kamerafahrten, mit der Staffelung der Objekte im Bild, mit der Bewegung der Figuren durch Nacht, Dampf und Rauch übertreibt. Stets ist auch Platz für die Sprache, die Körper, die Gefühle und Träume. Es ist nur so, dass hier einer in jeder Einstellung weiß, was er tut. Blicke in die Peripherie der Bilder werden belohnt. Am Schluss gibt es geradezu skulpturale Großaufnahmen von Gesichtern. Bis dahin aber wuselt eine lebendige Welt mit Fußbad und kochender Wäsche und Betrug und Varieté.

Nach diesem großen Versprechen ging Peter Pewas dem Kino mehr oder minder verloren. Für die DEFA dreht er 1946 „Straßenbekanntschaft“, einerseits ein verblüffend realistisches Porträt des Nachkriegsberlin, mit seinen Frauen, die sich im Krieg allein durchzuschlagen gelernt haben, und mit den Männern, die nach der Rückkehr große Schwierigkeiten haben, wieder Wurzeln zu fassen. Andererseits handelt es sich um eine Auftragsarbeit zur Sexualaufklärung und eine Warnung vor der Prostitution. Auch in diesem Film gibt es einige ganz großartige Einstellungen, insgesamt rettet Pewas’ filmische Raffinesse das letzte Drittel des Films, dessen häufigstes Wort „Geschlechtskrankheit“ lautet, dann aber doch nicht.

Am falschen Ort

Ein letzter Spielfilm, 1955 im Westen entstanden, „Viele kamen vorbei“, ist leider aus lizenzrechtlichen Gründen nicht in der vorliegenden Edition (oder sonstwo) verfügbar. Viele kleinere Arbeiten lohnen den Blick. „Menschen – Städte – Schienen“ von 1949 zeigt eine Bahnfahrt von München nach Bremerhaven und porträtiert ein Land zwischen Zerstörung und Wiederaufbau. Unbedingt sehenswert auch Wolfgang Schneiders unmittelbar nach dem Tod von Pewas 1984 entstandenes Porträt. Schneider, ein Freund, trauert um einen Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort war: als hoch begabter Filmregisseur nämlich in der BRD-Ödnis.

In Deutschland bekam er bald keine größeren Aufträge mehr, weil er den Herren Produzenten zu künstlerisch war. Pewas lebte dann viele Jahre von Sozialhilfe in einem Hamburger Kellergeschoss. Immerhin hat ihn die Berlinale noch vor seinem Tod wiederentdeckt. Seither hat man ihn wieder vergessen. Immerhin sind mit der vorliegenden DVD-Box wichtige Teile des schmalen Werks jetzt für jedermann greifbar. EKKEHARD KNOERER