: Stimmung gegen Streikrecht
WOWEREIT ZUM BAHN-STREIK
Natürlich haben wir nichts gegen Streiks. Aber am Tag des Mauerfalls? Muss das sein?
Wie wäre es damit: Am Montag zwischen 2 und 3 Uhr wird gestreikt. Und dann ist Ruhe.
Nach Ansicht von Klaus Wowereit wäre das wohl das richtige Vorgehen. „Unsensibel und gegen die Menschen gerichtet“ nannte er in dieser Woche den Bahn-Streik. Wenig überraschend, aber dafür ziemlich falsch: Denn Streiks richten sich gegen Politik und Wirtschaft. Und nie gegen „die Menschen“. Dass der Bahn-Streik jetzt doch schon am Samstagabend und damit vor dem Mauerfalljubiläum endet, wird wohl an Wowereits Meinung nichts ändern.
Soziale Errungenschaften wurden nie verschenkt, immer nur erkämpft. Aber in den letzten Jahren hielten sich spektakuläre Arbeitskämpfe in Grenzen. Die Folgen: noch miesere Bezahlung, prekäre Beschäftigung. Auch die Lokführer werden schlecht bezahlt. Allein deshalb wäre ihr Streik gerechtfertigt. Aber bei der GDL geht es gar nicht allein ums Geld: Es geht um ihr verbrieftes Recht, für alle ihre Mitglieder zu verhandeln. Und, noch wichtiger: überhaupt verhandeln zu dürfen. Denn wenn der Gesetzentwurf von Andrea Nahles zur Tarifeinheit durchgeht, könnten kleinere Gewerkschaften ihr Streikrecht verlieren.
Auch deswegen kämpft die GDL so verbissen. Und auch deswegen beschweren sich Politiker wie Wowereit so lautstark über den Streik: weil Stimmung gegen Spartengewerkschaften wie die GDL Stimmung zugunsten des Gesetzesvorschlages ist. Nur: Anders als der GDL-Streik wäre eine Einschränkung des Streikrechts wirklich „gegen die Menschen gerichtet“. LAURA MESCHEDE