unterm strich
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Rudolf Arnheim ist gestorben, im Alter von 102 Jahren, in Amerika, damit ist ein großes, weitgespanntes Leben zu Ende gegangen, das 1904 in Berlin begonnen hatte und beruflich ganz dem Sehen verpflichtet war – das er als einen aktiven Vorgang, als Wahrnehmen begriff. Das Material für viele seiner ästhetischen Studien holte sich Arnheim noch als Kind und Jugendlicher in Berliner Museen. Das Buch, das ihn bekannt machte, schrieb Arnheim 1932, vor 75 Jahren: „Film als Kunst“, bis heute ein Klassiker von Ästhetik und Filmtheorie. 1933 emigrierte er vor den Nazis über Italien und England schließlich in die USA. Viele seiner kunst- und kulturtheoretischen Schriften wurden in der Folgezeit zu Standardwerken, „Kunst und Sehen“ etwa (1954) oder „Anschauliches Denken“ (1969). Dass Wahrnehmung auch ein Denken ist und alles Beobachten auch ein Erfinden, gehört zu seinen zentralen Thesen. Die Berliner Humboldt-Uni richtete vor sieben Jahren eine Stiftungsprofessur in seinem Namen ein.

Und es gibt leider noch einen zweiten bedeutenden Toten zu vermelden: Der Lyriker und Übersetzer Michael Hamburger starb 83-jährig in London. Auch er wurde in Berlin geboren, 1924, auch er musste vor den Nazis emigrieren, „Wahrheit und Poesie“ heißt sein großes theoretisches Werk. Vor allem auch praktisch hat er sich mit Lyrik beschäftigt. Er übersetzte unter anderem Paul Celan, Nelly Sachs und Peter Huchel. In jeder seiner Lebensphasen entstanden eigene bedeutende Gedichte.