: Wir haben keine Angst vor nichts und niemandem
KÄMPFERISCH Birmas Presselandschaft ist im Aufbruch. Die taz Panter Stiftung lud neun birmesische JournalistInnen zu einer Fortbildung nach Berlin
Es musste Teltow sein, Teltow und nichts anderes als Teltow – nicht wegen der Rübchen, auch nicht wegen des gleichnamigen Kanals, sondern wegen eines Stücks Beton. Das allerdings war etwas Besonderes: Einst trennte es als Teil der Berliner Mauer Ost und West. Nach der Wende hat es der spanische Maler Victor Landeta mit einem Symbol der Freiheit bemalt – mit Aung San Suu Kyi, der Friedensnobelpreisträgerin und Oppositionsführerin mit Ambitionen auf das Präsidentenamt Birmas.
Deshalb geriet Teltow im Süden Berlins am vorigen Wochenende ins Blickfeld von neun Journalisten aus Birma, die sich das Kunstwerk mit der prominentesten Politikerin ihres Landes nicht entgehen lassen wollten. Die neun – sechs Frauen und drei Männer – waren Teilnehmer eines Workshops für „Journalisten aus Übergangsstaaten“, den die taz Panter Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung und das Auswärtigen Amt gemeinsam organisierten und finanzierten.
Der Hintergrund: Seitdem Birmas Militärjunta 2010 ein Stück zur Seite rückte und eine zivile Regierung ins Amt kam, kann die Presse dort freier arbeiten als bisher – sie muss etwa ihre Berichte nicht mehr zensieren lassen. Bis vor Kurzem gab es in dem südostasiatischen Land allerdings keine vernünftige Journalistenausbildung. Der Workshop sollte zumindest einigen ReporterInnen die Möglichkeit zur Weiterbildung geben und ihnen zugleich einen Eindruck vermitteln, mit welchen Problemen die Kollegen hierzulande kämpfen.
Zwei Themen standen im Vordergrund: Wie kann man eine Zeitung oder eine Website ohne viel Geld gründen? Diese Frage ist in Birma brandaktuell. Denn seit Beginn der Reformen sind in Birma viele Zeitungen entstanden – und nicht wenige sind wie Sternschnuppen im Medienhimmel verglüht, weil es an Wissen und Geld fehlte. Die taz präsentierte deshalb ihr Genossenschaftsmodell, und Sebastian Esser von „Krautreporter“ berichtete über seine erfolgreichen Versuche, Geld für eine unabhängige Website einzusammeln.
„Schauen Sie genau hin!“
Weil die Birmesen Ende 2015 ihr Parlament wählen und für viele Journalisten die Wahlkampfberichterstattung ein neues Feld ist, war dies ein weiterer Schwerpunkt. Philipp Wittrock von Spiegel-Online berichtete über seine Erfahrungen. Die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke – sie war in der DDR Zeugin von Wahlfälschungen – riet den Gästen aus Birma, genau hinzuschauen: „Bleiben Sie von morgens bis abends im Wahllokal; begleiten Sie ausländische Wahlbeobachter.“
Zum Programm gehörten auch ein Besuch der Bundespressekonferenz, eine deutsche Institution, bei der sich der Regierungs- und die Ministeriensprecher den Hauptstadtjournalisten stellen. „Von so etwas sind wir noch weit entfernt“, konstatierten die Gäste beeindruckt. In ihrer Heimat dächten die Militärs oder Parlamentsabgeordneten in der Regel nicht daran, Fragen von Journalisten zu beantworten. Nur die Vertreter der ethnischen Minderheiten und Rebellenarmeen informierten über ihre Aktivitäten, berichteten die Besucher auf einer Podiumsdiskussion im taz-Café.
Nach Jahrzehnten der Militärdiktatur betrachten die Mächtigen Birmas kritische Journalisten nach wie vor als lästiges Übel. Auch in jüngster Zeit sind Journalisten wieder im Gefängnis gelandet. Trotzdem wollen sich die Workshop-Teilnehmer nicht einschüchtern lassen: „Wir haben keine Angst vor nichts und niemandem“, sagte eine Reporterin.
Die „Lady“ als Präsidentin?
Über die künftige Rolle der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, der das Militär bislang verweigert, für das Präsidentenamt zu kandidieren, wollten sie nicht spekulieren. „Das werden wir sehen. Wir beschreiben nur Fakten.“
Also erst einmal ab zur Lady – wie Aung San Suu Kyi häufig genannt wird – in den Mauerpark nach Teltow. Sie stand neben Nelson Mandela und Gandhi. Ein paar Meter entfernt war ein weiterer Birmese zu besichtigen: Birmas Präsident Thein Sein. Seine Nachbarn waren der Iraner Mahmud Ahmadinedschad und der Libyer Muammar al-Gaddafi.
■ Andreas Lorenz, 62, ist Journalist und Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung