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Archiv-Artikel

Gabriel gegen Steuerflucht – theoretisch

KAPITAL SPD-Chef nennt Wettbewerb um Niedrigsteuern bei Treffen mit Ökonom Piketty „völlig verrückt“

BERLIN taz | Es waren große Worte, mit denen der SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister auf die jüngsten Berichte über die Steuervermeidung von Konzernen durch Finanzkonstrukte in Luxemburg reagierte. Der Steuersenkungswettbewerb in Europa sei „völlig verrückt“, sagte Sigmar Gabriel am Freitag in Berlin bei einer Diskussion mit dem französischen Autor Thomas Piketty. Allein der deutsche Staat verliere dadurch 150 Milliarden Euro im Jahr, was die „Vermögensungleichheit“ verstärke.

Weniger klar waren Gabriels Aussagen darüber, was er gegen diese Entwicklung zu unternehmen beabsichtigt. Man müsse darüber nachdenken, eine Begrenzung des Steuersenkungswettbewerbs zur Bedingung für die Weiterentwicklung Europas zu machen, deutete er nur an. Der Forderung des linken Star-Ökonomen Piketty, die wachsende Ungleichheit mit höheren Steuern auf Vermögen und Kapitaleinkünfte zu bekämpfen, erteilte der Wirtschaftsminister hingegen eine Absage.

Die auch von der SPD geforderte Vermögensteuer hat nach Ansicht des Parteichefs „keine Chance“, weil sie laut Verfassungsgericht auch auf Betriebsvermögen erhoben werden müsste. „Ich will aber das Eigenkapital der Mittelständler nicht besteuern“, sagte Gabriel.

Positiver äußerte sich der Minister zur Forderung aus der SPD, Einkommen auf Kapitaleinkünfte künftig wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu besteuern. Bisher gilt dafür die niedrigere, pauschale Kapitalertragssteuer. „Das wurde eingeführt, um die Steuerehrlichkeit zu erhöhen“, sagte Gabriel. Doch weil inzwischen der automatisierte Informationsaustausch über Kapitaleinkünfte beschlossen wurde, „bedarf es dieses Anreizes nicht mehr“. Mit einer Umsetzung dieses Vorschlags rechnet der Wirtschaftsminister aber nicht. „Ich vermute, dass die Bereitschaft unseres Koalitionpartners dafür gering ist“, sagte er.

Ökonom Piketty kritisierte bei der Veranstaltung den deutschen Spardruck auf andere europäische Staaten. Auch Deutschland habe Schulden nie zurückgezahlt, sondern diese immer durch Inflation und Wirtschaftswachstum reduziert, sagte er an Gabriel gerichtet.

MALTE KREUTZFELDT