piwik no script img

Archiv-Artikel

Jungs monumentales Geheimnis

Bundesverteidigungsminister Jung stellte gestern sein derzeitiges Lieblingsprojekt vor: ein Ehrenmal für gefallene Soldaten. Eine öffentliche Debatte über Sinn und Standort hat Jung bislang vermieden – was sich nun als Fehler erweisen könnte

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Als wäre ihnen die Sache etwas peinlich, hatten Soldaten der Bundeswehr das Modell vor Beginn der Veranstaltung mit einer Serviette bedeckt. Auch Franz Josef Jung (CDU), Bundesminister der Verteidigung, fasste das Ding nicht an. Erst nach langen Sätzen Jungs zur Präsentation des „Ehrenmals der Bundeswehr“ wurde der in Bronze schimmernde Entwurf des Münchener Architekten Andreas Meck gestern enthüllt. Ovationen gab es im Bendlerblock dafür nicht.

Dass Jung und seine Soldaten in Sachen Ehrenmal für die im Dienst (2.600) und im Ausland (69) ums Leben gekommenen Soldaten der Bundeswehr gestern so defensiv operierten, ist symptomatisch für das gesamte bisherige Verfahren. 2005 war dem Verteidigungsminister im afghanischen Kundus in den Sinn gekommen, ein „zentrales Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr“ zu errichten. Zugleich war dem Minister wichtig, dass die „letzte Ehre“ auf dem Gelände des Bendlerblocks – dem Berliner Dienstsitz Jungs – stattfinden sollte.

Nicht wichtig war Jung hingegen die öffentliche Auseinandersetzung um den Standort – gegenüber der Gedenkstätte Deutscher Widerstand –, sowie Sinn und Zweck eines solchen Ehrenmals. Anstatt über die Notwendigkeit einer derartigen Denkmal-Aktion, welche die bisherige Grenze militärischer Repräsentation in der Republik überschreitet, zu debattieren, hat Jung das Verfahren fast im Geheimen durchgezogen. Die Bundeswehr lobte 2006 einen begrenzten Wettbewerb unter eingeladenen Architekten aus. Eine interne Jury entschied sich für den Entwurf des Münchners Andreas Meck, dessen riesiger Entwurf nicht unproblematisch ist.

Meck hat eine schmale 41 Meter lange und zehn Meter hohe Halle entworfen, die in eine Bronzehülle gekleidet werden soll. Unter diese Hülle, die halbierten Erkennungsmarken der Soldaten nachempfunden ist, hat Meck einen dunklen „Raum der Stille“ zum Gedenken an die toten Soldaten integriert. Der 2,5 Millionen Euro teure Bau soll noch dieses Jahr beginnen und Mitte nächsten Jahres beendet werden.

Dass die Zeit des leisen Einsatzes für das ambitionierte Ehrenmal des Verteidigungsministers nun endgültig vorbei sein könnte, liegt schon an der monumentalen Größe und sakralen Form des Ehrenmals. Zwar hat Jung mit CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel – nach ersten ausweichenden Äußerungen zu dem Thema – eine Helferin für das Denkmal und für den Standort im Bendlerblock. Die Kritik an einem fehlenden Diskurs zum Thema, wie sie nach der ersten Verkündung des Bundeswehrdenkmal im Mai aufflackerte, aber wird sich nun verstärken.

So bezeichnete der liberale Verteidigungsexperte Rainer Stinner Jungs Alleingang als verpasste Chance, „eine längst überfällige Grundsatzdiskussion über die Rolle der Bundeswehr und die Auslandseinsätze zu befördern“. Zugleich rufen Bundestagsabgeordnete wie Winfried Nachtweih (Grüne) und Jörn Thiesen (SPD) dazu auf, über einen anderen, zweiten Ehrenmal-Standort am Reichstag mit einer erweiterten Funktion nachzudenken: Statt eines singulären Denkmals auf den Appellplatz im Bendlerblock sollte ein Denkzeichen für alle Opfer – ob militärische oder zivile Helfer – errichtet werden. Ein solches Zeichen dürfte nicht, wie Peter Steinbach, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, anmahnte, Pathos oder Opferbereitschaft symbolisieren, sondern es sollte ein Zeichen zur Reflexion sein, das außerdem vor das Parlament gehöre, wo die Entscheidungen für die Einsätze fallen.