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Archiv-Artikel

Neues Schlachtfeld für den Genmais

Eine Brandenburger Verpachterin von Ackerland kämpft gegen ihren Pächter, weil der Landwirt Genmais auf ihrem Feld anbaut. Bis Montagabend sollen die genveränderten Pflanzen weg, sonst droht eine Unterlassungsklage. Ein Präzedenzfall

von ALEXANDER FRÖHLICH

Im Streit über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen haben Gegner und Befürworter ein neues Schlachtfeld abgesteckt. Es liegt im brandenburgischen Dorf Kreuzbruch, etwa 30 Kilometer nördlich von Berlin. Der Landwirt Dietmar Dessau hat dort eine Fläche von 22 Hektar mit Genmais des Agrarkonzerns Monsanto bestellt. Die Verpachterin eines Großteils der Fläche, Andrea Gottemeier, verlangt, dass ihr 18 Hektar großer Acker „umgebrochen“ wird: „Das ist jetzt verseuchtes Ackerland.“

Andrea Gottemeier hat erst vor zwei Wochen erfahren, dass auf ihrem Acker MON 810 angebaut wird – durch Zufall: Die Polizei war bei ihr aufgetaucht auf der Suche nach Feldbefreiern.

Greenpeace spricht von einem Präzedenzfall, der jetzt in Brandenburg vertragsrechtlich zwischen einer Verpachterin und einem Landwirt ausgetragen wird. „Wir gehen davon aus, dass bei den meisten Genfeldern in Deutschland die Eigentümer gar nichts davon wissen“, sagt Ulrike Brendel, Gentechnik-Expertin bei Greenpeace.

Die Rechtslage ist unklar: Müssen die Eigentümer von Ackerland informiert werden, wenn dort Genpflanzen stehen? Greenpeace befürchtet, dass die Verpächterin für eventuelle Schäden an Nachbarfeldern haften muss oder dass sich der Anbau von Genmais nachteilig für die weitere Vermarktung der Fläche sein könnte. Bestätigt sehen sich die Umweltaktivisten durch den kürzlich vom Bundesamt für Verbraucherschutz verfügten Handelsstopp. Von möglichen Gefahren für die Umwelt durch MON 810 war da die Rede.

Doch Dietmar Dessau wähnt sich auf der sicheren Seite, weil MON 810 für den Anbau zugelassen ist. Ähnlich argumentiert auch der märkische Bauernverband. Dessau will in diesem Jahr eine Biogasanlage bauen. Dafür und für seine Milchkühe als Futtermittel braucht der Ortsbürgermeister den Mais. In den vergangenen Jahre habe er wegen des Maiszünslers erhebliche Verlust hinnehmen müssen. Deshalb sei er auf den Genmais umgestiegen – ganz legal.

Am Montag um 24 Uhr läuft eine Frist für den Landwirt ab. Bis dahin soll der Genmais vom Acker verschwinden, wie aus einer Abmahnung der Hamburger Rechtsanwältin Michèle John hervorgeht. Geschieht das nicht, droht Landwirt Dessau eine Unterlassungsklage. Über den Umweg des Zivilrechts hofft die Anwältin auf ein Urteil, das die Gefahren des Anbaus von MON 810 ausdrücklich bestätigt. Vor zahlreichen Gerichten wird bereits über die Haftungsfragen gestritten. Meist klagen Imker über verunreinigten Honig. Die Rechtsprechung ist aber uneinheitlich.

Das Interesse an dem dörflichen Streit über ein Genmais-Feld ist auf beiden Seiten groß. So übernimmt Greenpeace alle Anwalts- und Gerichtskosten für Verpachterin Gottemeier, die auch Inhaberin einer Tierpension ist. Landwirt Dessau hat die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Innovativer Landwirte (Agil) eingeschaltet, ein Netzwerk von Landwirten, Wissenschaftlern und Wirtschaft zur Förderung der Pflanzenbiotechnologie.

Auch beim Agrarkonzern Monsanto ist der Kreuzbrucher Fall bekannt – bis in die Chefetagen der deutschen Tochter mit Sitz in Düsseldorf. „Wir unterstützen unsere Kunden grundsätzlich“, erklärte Unternehmenssprecher Andreas Thierfelder. „Wenn der Eigentümer auf eine juristische Auseinandersetzung hinaus will und für dieses Exempel von Greenpeace unterstützt wird, dann haben wir das Interesse, dem etwas entgegenzusetzen.“ Landwirt Dessau jedenfalls geht davon aus, dass mögliche Kosten des Streits übernommen werden.

Das gesteigerte Engagement von Greenpeace und der Gentechnik-Lobby an diesem Fall ist nicht überraschend. Denn der brandenburgische Landkreis Oberhavel ist Genmais-Region: Laut Standortregister ist der Landkreis beim Anbau von MON 810 einsame Spitze: Mit 612 Hektar liegt fast ein Viertel der Gesamtfläche hier. 2.685 Hektar werden bundesweit mit Monsanto-Mais bewirtschaftet, etwa die Hälfte dieser Fläche befindet sich in Brandenburg.