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Archiv-Artikel

Mondlandschaft mit Zyanidsee

„Save Rosia Montana!“ Der Widerstand gegen ein geplantes Goldbergbauprojekt hat in Rumänien eine Umweltbewegung losgetreten und weltweit Solidarität entfacht

Infoveranstaltung

■ Aktive aus der Region berichten über den Goldabbau in Rosia Montana/Rumänien. Mit langem Atem protestieren Junge und Alte gegen die Zerstörung eines ganzen Tals. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ausstellung „Longo maï – Die Utopie der Widerspenstigen“ statt, die das heutige Bestehen der Kooperative Longo maï als gelebte Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft zeigt.

■ Donnerstag, 13. November, ab 19.30 Uhr im Freien Museum, Bülowstraße 90

„Gold!“, der Museumsführer reißt die Augen auf und versucht einen irren Blick wie Onkel Dagobert. „In diesen Bergen gibt es Gold.“ Wir stehen vor dem Eingang zu einer alten Mine in Rosia Montana. Die kleine Gemeinde liegt in den rumänischen Karpaten. Sie ist die älteste dokumentierte Bergbausiedlung Rumäniens.

Seit über 2.000 Jahren wird hier das begehrte Edelmetall gefördert. Das örtliche Bergbaumuseum bietet eine Exkursion durch Stollen an, die noch von den Römern in den Berg gemeißelt wurden.

Auch heute soll in Rosia Montana wieder Gold abgebaut werden. Nach einem Goldrausch sieht es in der kleinen, rund 2.500 Einwohner zählenden Gemeinde aber nicht aus. Auf den ersten Blick macht das Dorf einen verschlafenen Eindruck. Es gibt nur eine Straße, die sich in die Berge hinaufschlängelt. In den Vorgärten wird Gemüse angebaut. Viele Häuser drohen zu verfallen.

Ein großer Teil der Grundstücke gehört inzwischen der Rosia Montana Gold Corporation. Viele Bewohner haben verkauft und sind weggezogen. Das Logo des Goldbergbau-Konzerns ist allgegenwärtig. Die Pläne sind groß. Über 300 Tonnen Gold und noch mehr Silber möchte man fördern. Ein kanadisch-rumänisches Joint Venture, bei dem der kanadische Konzern Gabriel Ressources mit 80 Prozent den Löwenanteil hält.

Gegen das Projekt gibt es vielfältigen Widerstand, im Ort, in der Region und im ganzen Land. Vor einem Jahr gingen in der weit entfernten Hauptstadt Bukarest 20.000 Menschen auf die Straße. Die Kampagne Save Rosia Montana hat weltweit für Aufsehen gesorgt. In Toronto, London und Berlin wurde protestiert.

Im Dorf selbst ist dieser Tage wenig davon zu sehen. Aktivisten bauen ein altes Gebäude zu einem Hostel um. Ein Stück die Berge hinauf, oberhalb des Dorfes, hat sich auf einem Bauernhof ein Protestcamp gegründet. Hier, wo man den Blick über das Tal und die Landschaft schweifen lassen kann, klären sich die Dimensionen. Die Dimension des geplanten Goldabbaus und die des Widerstandes. Die vier Berge, die Rosia Montana einrahmen, sollen vollständig abgetragen werden – bis in die Tiefe hinein. Mit Blick auf die rund 1.000 Meter hohen Berge ein surreales Unterfangen. Dass die Gemeinde zwischen den gewaltigen Tagebauprojekten weiterbestehen könnte, ist kaum vorstellbar. Auch das Museum mit seinen römischen Stollen wäre betroffen.

Die Gigantomanie des Projekts hat einen Grund: Die großen Goldadern sind schon lange abgebaut. Übrig geblieben ist feiner Goldstaub, der das Gestein durchzieht. Um die geschätzten 300 Tonnen Gold zu fördern, müssten die Berge abgetragen und pulverisiert werden. Ein Zeitraum von 17 Jahren ist dafür angesetzt. Pro Jahr würden so etwa 13 Millionen Tonnen Abraum entstehen.

Um das Edelmetall aus dem Gestein zu lösen, kommt Zyanid zum Einsatz, gut 10.000 Tonnen pro Jahr. Im benachbarten Tal ist ein großer Stausee geplant, ein Zyanidsee.

Mit Zyanid hat die Region schlechte Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2000 brach im Norden Rumäniens in der Stadt Baia Mare der Damm einer Golderz-Aufbereitungsanlage. Rund 120 Tonnen Zyanid gelangten in die Flüsse. Ein gigantisches Fischsterben war die Folge. Das Trinkwassereinzugsgebiet von 2,5 Millionen Menschen wurde schwer belastet. Hunderttausende mussten per Lastwagen mit Trinkwasser versorgt werden. Der Unfall gilt laut Greenpeace als die größte Umweltkatastrophe Osteuropas seit Tschernobyl. „Sie nehmen unser Gold mit und lassen das Gift hier“, lautet der populäre Slogan der Umweltschützer. Die Kampagne Save Rosia Montana hat in Rumänien eine Umweltbewegung losgetreten und den Grundstein für eine aktive Zivilgesellschaft gelegt.

Der Kampf um Rosia Montana wird auf vielen Ebenen geführt: auf der Straße, vor Gerichten, in Medien und Politik. Auf EU-Ebene wird versucht, ein generelles Verbot von Zyanid im Bergbau zu erwirken. Ein Tauziehen, das seit vielen Jahren andauert und bis heute unentschieden ist.

Zum aktuellen Stand der Kampagne findet am Donnerstag, den 13. November, eine Infoveranstaltung im Freien Museum Berlin statt. Zu Gast ist Jochen Cotaru, der seit 13 Jahren in Rumänien lebt und die Kampagne Save Rosia Montana von Anfang an unterstützt hat.

Jochen Cotaru wird auch über die Anti-Fracking-Proteste berichten. Die stark umstrittene Methode zur Förderung von Erdöl und Erdgas soll in weiten Teilen Rumäniens angewandt werden. Konzerne wie Chevron haben mit ersten Probebohrungen begonnen. Nach dem Goldbergbau kommt hier die nächste große Aufgabe auf die noch junge rumänische Umweltbewegung zu. JÖRN ALEXANDER