: Frieden schaffen mit Waffendeal
RÜSTUNG Mit Prominenz und finanzstarken Sponsoren richtet eine private Initiative in Berlin ein Spektakel aus, um für eine Waffensteuer zu werben. Der etablierten Friedensbewegung ist die wirtschaftsnahe Organisation suspekt, ihre Forderung sei fatal
CHRISTIAN GOLLA, NETZWERK FRIEDENSKOOPERATIVE IN BONN
VON CHRISTIAN JAKOB
BERLIN taz | Nobelpreisträger Desmond Tutu stellt klar, was zu erwarten ist: Das „größte und wichtigste Friedensereignis in der Geschichte“ stehe in Berlin bevor. Mit der Videobotschaft des südafrikanischen Erzbischofs wirbt eine Organisation namens „World Peace Partnership“ (WPP) für ihre „World Peace Conference“ Ende August im Estrel Kongresszentrum.
„Frieden wird zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor in einer globalisierten Welt,“ sagt WPP-Sprecher Sebastian Hesse. Weil es „weltweit noch keine Dachorganisation für Frieden“ gebe, wolle WPP „alle Stakeholder aus dem Bereich zusammenbringen.“ Die Wirtschaft spricht WPP dabei mit dem Slogan „Peace is your business“ an – man sei „auch mit der Waffenindustrie im Gespräch,“ sagt Hesse.
945 Euro für ein Ticket
Für die Konferenz im Estrel sind zahlreiche Prominente wie die Bertelsmann-Erbin Brigitte Mohn oder der Puma-Chef Jochen Zeitz angekündigt. Wer sie hören will, muss zahlen: Ein Standardticket kostet 945 Euro.
Geschäftsführer der am Potsdamer Platz residierenden WPP ist der Musiker Tom Oliver. Dessen Vater Erhart Kirfel, WPP-Finanzchef, war früher Finanzcontroller der Bundes-SPD und sitzt im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater im Vorstand. Die Idee zum Festival, verriet der in Nizza lebende Oliver der Berliner Morgenpost, kam ihm so: Er sei mal „am Brandenburger Tor vorbeigeradelt und hat sich gedacht: Hier muss man mal ein tolles Festival machen.“
Unterstützt von Firmen wie Google oder der Royal Bank of Scotland hat sich WPP einen Katalog von Verhaltensregeln mit dem Namen „Tools for Peace“ für jedermann ausgedacht. Kostprobe: „Lass starke Emotionen (vorübergehend) beiseite“ oder „Schau in die Zukunft und stell Dir vor, wohin es führt, wenn der Konflikt eskaliert.“ Ergänzend hat WPP eine „Weltfriedensstrategie“ entwickelt, die bei der Konferenz präsentiert werden soll und laut Hesse schon „von einigen Staaten implementiert wird“. Vor allem aber will WPP eine zehnprozentige Steuer auf die Erlöse von Waffenverkäufen durchsetzen, um „Opfern von Waffen zu helfen“. Mit dem Geld sollen die Exportländer die „Millenniumsziele der UN“ fördern.
Die etablierte Friedensbewegung ist darüber entsetzt. „Der Begriff Frieden ist leider nicht geschützt“, sagt Christian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn. Das Festival sei ein „Namedropping der schlimmsten Sorte“ und habe „mit Friedensbewegung rein gar nichts zu tun“. Mit einer Waffenverkaufssteuer den Opfern bewaffneter Konflikte helfen zu wollen, sei vergeichbar mit dem Versuch, „Feuer mit Benzin zu löschen“, sagt Golla. „Die Waffen müssen aus den Konfliktgebieten raus und nicht da rein.“ „Strikt dagegen“ ist auch die Coalition Against Arms Trade, der europäische Dachverband der Kriegswaffenexportgegner in London, und die Buko-Kampagne „Stoppt den Rüstungsexport“.
Der Kasseler Friedensforscher Peter Strutynski hat die Einladung zu dem Festival abgelehnt. „Es fehlt vollständig eine Auseinandersetzung mit den politischen Determinanten von bewaffneten Konflikten, mit den Kriegsursachen und entsprechenden politischen Vorschlägen“, sagt er. Stattdessen gebe es eine „ beliebige Aneinanderreihung von Referenten, die wohl in erster Linie zu Sprechblasen und Sonntagsreden neigen.“
Auch Paul Russmann, Sprecher des Dachverbandes „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, ist „irritiert“. Ihm sei „völlig unklar, wer dahintersteckt und was das soll.“ Er frage sich, ob „Greenwashing im Rüstungsbereich betrieben“ werde.
Tatsächlich sind mindestens zwei der Sponsoren – der französische Consultingriese CapGemini und die Londoner Großkanzlei Bird & Bird – im Rüstungsbereich aktiv. Auf Anfrage wollte sich Bird & Bird nicht zum Engagement für das WPP äußern. Auch der Sponsor M Cam, eine US-Beraterfirma, unterhält eine „strategische Allianz“ mit dem Washingtoner Arlington Institute, dessen Gründer vorher im Pentagon und im Nationalen US-Sicherheitsrat war.
2010 sollten eine Milliarde Menschen zuschauen
Was Ende August tatsächlich passiert, ist indes fraglich. Eigentlich hätte der große Friedenszirkus schon 2010 laufen sollen. Monate vorher hatten die Organisatoren geworben: Der Dalai Lama, George Clooney, Michail Gorbatschow und Sharon Stone sollten ans Brandenburger Tor kommen, bewundert von „einer Million Menschen vor Ort und einer Milliarde im TV“. Gelaufen ist am Ende gar nichts – die „Love Parade“ sei dazwischen gekommen, sagt Hesse. Für das jetzt geplante Konzert suchen die Veranstalter übrigens noch einen Veranstaltungsort, das Programm werde „bald bekannt gegeben.“