Wieder Razzien gegen Linke

Polizisten durchsuchen vier Wohnungen. Der Vorwurf: Bildung einer terroristischen Vereinigung. Grüne kritisieren „unverhältnismäßiges Vorgehen“ der Berliner Polizei

Drei Polizisten versprerren einen Hauseingang in der Reichenbergerstaße, zwei Mannschaftswagen stehen vor dem Kreuzberger Altbau. Was an diesem Morgen im Haus passiert, verraten sie nicht. „Wir geben keine Auskunft zu laufenden Ermittlungen“, so die Beamten. Rund 20 Menschen, offensichtlich Mitglieder der linken Szene und eilige herbeitelefoniert, beobachten die Situation. Sie diskutieren über den Einsatz der Polizei.

Währrenddessen durchsuchen rund ein Dutzend Beamte die Wohnung von Freke Schmidt*. Die Polizei habe die Tür mit einer Ramme aufgeschlagen und sei dann in seine Wohnung eingedrungen, berichtet er der taz. „Sie haben mich mit einem Schild auf den Boden gedrückt, meine Arme nach hinten gerissen und mir Handschellen angelegt.“ Auch sein Mitbewohner sei auf gleiche Art „fixiert“ worden, so der Student. Die Beamten hätten die Festplatte aus seinem Computer herausgeschraubt, CDs und DVDs eingesammelt und sämtliche anderen Datenträger beschlagnahmt. Mehr als drei Stunden habe die Polizeiaktion gedauert, erzählt Schmidt.

Seine Wohngemeinschaft ist eine von vier Berliner Wohnungen, die am Dienstagmorgen im Auftrag der Bundesanwaltschaft durchsucht werden. „Die Durchsuchungen erfolgten auf Basis des Paragrafen 129 a“, sagt Petra Kneuer, Sprecherin der Bundesanwaltschaft. Karlsruhe ermittle wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. „Es ging uns nicht um Verhaftungen, sondern um das Sammeln von Beweismaterial“, erläutert Kneuer. Festnahmen habe es nicht gegeben. Welche anderen Berliner Wohnungen durchsucht wurden, wollte sie nicht sagen. Schmidt sagte der taz, dass auch die Wohnung seiner Freundin durchsucht worden sei. Hintergrund der Ermittlungen sind drei Brandanschläge in Berlin und in Schleswig-Holstein in den Jahren 2002, 2004 und 2006.

An der Durchsuchung in der Reichenbergerstraße waren neben einem Berliner Spezialeinsatzkommando (SEK) auch Beamte aus dem Landeskriminalamt Schleswig-Holstein beteiligt. Dabei seien die Berliner Polizisten brutal vorgegangen, berichtet Stephan Schrage, Schmidts Anwalt, der die Durchsuchungen beobachtete. Er werde prüfen, ob er dagegen rechtlich vorgehen könne.

„Es ist einfach nur traurig, dass aufgrund vager Vermutungen wieder so unverhältnismäßig vorgegangen wird“, sagt Benedikt Lux, Abgeordneter der Grünen. Auch er versucht sich vor Ort ein Bild der Ereignisse zu machen. „Falls das Vorgehen der Polizei tatsächlich rechtswidrig gewesen ist – und danach sieht es aus –, werden auch wir versuchen, dagegen vorzugehen“, so Lux. CATALIN GAGIU

* Name geändert

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