Willys Enkelchen

Zum Jahrestag hat sich Sigmar Gabriel rar gemacht. Kein Pressetermin, kein Grußwort vor der Handelskammer, schon gar keine große Jubiläumsgala. Wäre vielleicht auch ein bisschen dick aufgetragen gewesen: Der Niedersachse feierte am Donnerstag schließlich nur sein Fünfjähriges im Amt des SPD-Vorsitzenden. Andererseits: Der letzte Sozialdemokrat, der sich ein halbes Jahrzehnt an der Spitze seiner Partei halten konnte, war Gerhard Schröder. Und der war nach fünf Jahren und neun Tagen auch schon wieder weg.

Müntefering, Platzeck, Beck, Steinmeier und dann noch mal Müntefering: So hießen Gabriels Vorgänger, vier Stück zwischen Frühjahr 2004 und Herbst 2009. Die Partei lag am Boden, als der Dresdner Parteitag den damaligen Umweltminister an die Spitze wählte. Bei der Bundestagswahl hatte die SPD kurz zuvor nur 23 Prozent erzielt, ein historisches Debakel, und nach über zehn Jahren an der Regierung musste die Partei Platz machen für Schwarz-Gelb.

Von der SPD wurde Gabriel damals nicht als Messias gefeiert: Zu mürrisch sei er, hieß es schon damals, und häufig zu instinktgetrieben. Vielleicht ist es aber gerade sein Bauchgefühl, das ihn so lange an der Parteispitze durchhalten ließ. Nach der Wahlschlappe von 2009 hätte ihm der Laden, zerfressen von Flügelkämpfen, auch leicht um die Ohren fliegen können. Doch Gabriel hielt die Partei zusammen. Mittlerweile, wieder in der Großen Koalition angelangt, gilt die SPD als so geeint wie selten zuvor.

Gabriel selbst hat sich zuletzt ein klein wenig neu erfunden. Weniger launisch tritt er auf, seit er Vizekanzler ist. Zum Sympathieträger wird er wohl nicht mehr, aber in Umfragen konnte er zuletzt leicht zulegen. Und den Posten des Wirtschaftsministers hat er nicht umsonst gewählt. Er ist überzeugt: Kanzler kann er nur werden, wenn der SPD ökonomische Kompetenz zugetraut wird.

Sein Wirtschaftskurs gefällt nicht allen in der Partei. Dass er 2017 als Kanzlerkandidat antritt, gilt trotzdem als ausgemacht. Ein anderes Ziel liegt dagegen weit entfernt: Möchte er Willy Brandt als Rekordvorsitzenden der SPD ablösen, muss Sigmar Gabriel noch eine Weile Parteichef bleiben: 18 Jahre lang. TOBIAS SCHULZE