: Ficken für alle
BESTIMMEN In deutschen Krimis sind Frauen die Opfer männlicher Sexualität. Dabei gibt es doch Alternativen!
■ Reden: Es nervt, und es ist manchmal peinlich. Aber es hilft am allerbesten bei der Bewusstmachung, was eigentlich gefällt.
■ Masturbieren: Ich danke an dieser Stelle dem Mann, der mir diesen Tipp gab.
■ Verhüten: Kondome, Kondome, Kondome. Ohne Verhütung haben vor allem Frauen ein Problem. Kein Mann sollte anfangen, über Kondome zu diskutieren. Das tötet die Lust.
■ Beziehung klären: Er ist ein reicher, alter Macker, sie will sein Geld? Sie ist hemmungslos verliebt, die andere will ausschließlich ficken? Wie bei Software gibt es auch bei Beziehungen Abhängigkeitskonflikte, die gelöst werden müssen.
■ Sex haben: Ein Sprichwort lautet: „Reiten lernste nur vons Reiten“. Ist beim Sex ähnlich.
VON JULIA SEELIGER
Zwei Frauen treffen sich regelmäßig, „um über Männer zu sprechen“. Die beiden sind sich einig: „Die besten sind weg.“ So startet und endet der Krimi „Nachtschicht – Ein Mord zu viel“. Zwischendurch fängt ein Serienmörder Mittelschichtsfrauen, vergewaltigt, foltert, tötet sie und wirft sie am Ende in die Kanalisation. Der Mörder, Schließer im Gefängnis, hat keine abbekommen, kann den schönen und gebildeten Frauen nicht das Wasser reichen und sagt Sätze wie: „Die gehört mal ordentlich durchgefickt.“ Daran entzündet sich die Kritik einer taz-Leserin – und an der „immer gleichen Darstellung der Schändung von Frauenkörpern“.
Und richtig: Der Plot „Frauenmörder überfällt in überwiegend düsterer Atmosphäre Frauen und tut ihnen sexuelle Gewalt an“ wiederholt sich im deutschen Fernsehen ständig. Mit der Realität hat diese Konstruktion wenig zu tun. Eine typische Vergewaltigung findet nicht als Überfall auf dunkler Straße statt, sondern im nahen Umfeld. Die Macher solcher Krimis stellen also nicht die Realität dar, sondern erfinden wieder und wieder Geschichten mit Frauen, die spektakulär Opfer sexueller Gewalt werden.
Sexuelle Gewalt hat nichts mit Sex und viel mit Gewalt zu tun, sie richtet sich meist gegen Frauen. Das Gegenteil davon sind selbstbestimmt und kommunikativ gemanagte Beziehungen. Nicht zur Primetime und nur in einem Spartensender – aber auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen läuft die amerikanische Serie „Ally McBeal“. Wöchentlich lässt sich auf einsfestival beobachten, wie die Mitglieder der Kanzlei Cage & Fish Fälle meist aus dem Bereich Familien- und Arbeitsrecht verhandeln. Von außen wird der Kanzlei gern die „sexualisierte Atmosphäre“ vorgeworfen – und es gibt eine Unisex-Toilette.
Ihre Liebesbeziehungen verhandeln die Akteure selbstbestimmt, Geschlechterrollen werden aufgespießt und manchmal auch umgedreht. So wie in der letzten Folge, als John Cage – firmenintern „das Gummibärchen“ genannt – sagt: „Meinem Verlangen zu widerstehen, darin besteht meine Macht.“ Das sagt er zu der Unternehmerin, der „Bienenkönigin“ Sidney, für die Sex und Macht Hand in Hand gehen. John Cage sagt verschüchtert zu seinem Partner Richard Fish: „Was ist, wenn noch mehr hinter die Sache mit der Bienenkönigin kommen?“. Der Chauvi Fish antwortet so etwas wie: „Dann sind wir gefickt“.
Wenn man weitersucht nach Bildern von starkem weiblichem Sex, kann man sich auf Pornoportalen umschauen. In Mainstreampornos wird man enttäuscht, sie laufen oft nach Schema „Reden – Fummeln – Blasen – Ficken Vaginal – Ficken Anal – Abspritzen auf die Frau“. Die unattraktiven Stellvertretermänner, übrigens schlechter bezahlt als die weiblichen Stars, lassen dabei gern Bemerkungen fallen wie „Ich fick dich richtig“ oder „Yeah, Baby, ich mach’s dir richtig hart“. Sie sagt dann „Steck ihn tief rein“ und macht dazu Geräusche, die wie Erregung klingen sollen.
Nachgemacht führt das zu langweiligem Rammelsex. Dabei geht es auch anders: Besonders fantasievoll sind Manga-Pornos, Zeichentricksex aus Japan. Dort gibt es beispielsweise Schulmädchen zu sehen, „raped“ von einem glitscharmigen Oktopus, lila Tentakel, schöne, große Saugnäpfe – gemalte Bilder, bei deren Produktion niemand verletzt oder abgewertet wurde. Virtuell entstehen keine Schmerzen – allerdings hat dieses Phänomen eine schmerzhafte Offline-Seite. Das Schulmädchenbild ist im sexistischen Japan omnipräsent, völlig normal – und normal sind dort auch sexuelle Übergriffe. Eine Vergewaltigung anzuzeigen gehört sich in Japan schlichtweg nicht. Immerhin bieten für Frauen reservierte U-Bahn-Waggons einen temporären Schutz gegen die üblichen Übergriffe – Fummeleien, Unter-den-Rock-Fotografieren.
Japan ist zudem bekannt für seine besondere Vielfalt bei harter Pornografie. In Deutschland ist die sogenannte Gewaltpornografie kriminalisiert, unter das Verbot fallen auch manche BDSM-Praktiken („Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“). Wenngleich auch bei solchen Pornos zählbar ist, dass mehrheitlich Frauen erniedrigt oder kontrolliert werden, so finden sich auf unzensierten Pornoportalen bei der Suche nach den Wörtern „forced“, „rape“ oder „punishment“ genauso auch Darstellungen von Männern, die der Macht einer Frau unterworfen sind. Oder der Macht mehrerer Frauen. Oder einer Frau und einem Mann. Manchmal werden Männer in solchen Pornos von Frauen gefickt.
■ Der Wunsch: taz-Leserin Margit Bremer hat den ZDF-Krimi mit ihrer 13-jährigen Tochter geschaut und ist verärgert über „den simplen Plot, der mit der ewig gleichen Mischung aus Schändung eines Frauenkörpers und mit Männersprache wie ‚Eine Frau gehört durchgefickt‘, sie wird ‚gevögelt‘ usw. aufgefüllt wird. Ich habe diese Art von Kriminalhandlung satt, die ein Publikum bedient, für das diese Vorstellungen von Sexualdelikten – natürlich meist an Frauen oder Kindern begangen – erst eine genüssliche Gruselvorstellung abgeben. Niemals werden Frauen dargestellt, die selbst Akteur ihrer eigenen lustvollen Sexualität sind und für die Sexualität nicht immer auch ein Synonym für Bedrohung ist. Für junge Frauen ist es bei diesen Vorgaben viel schwieriger, ihre eigene Sexualität als unproblematisch und selbstverständlich zu erleben.“
■ Der Weg: Senden Sie Ihre Anregung an open@taz.de oder an die taz, Sebastian Heiser, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin
Mitnichten ist es also so, dass BDSM-Sex einhergeht mit einer Abwertung von Frauen. Wer dies vermutet, reproduziert vermutlich gerade ein Klischeebild in seinem Kopf. Auch ist BDSM nicht hemmungslose Gewalt. Auf Infoportalen wird dazu geraten, nach Möglichkeit keine Drogen – und damit ist auch Alkohol gemeint – zu sich zu nehmen und für den Notfall ein Stopp-Wort auszumachen. Und ohne einen Sexkonsens geht sowieso nichts.
Im Freitag forderte Andrea Rödig „Penetration für alle!“ Damit könnte für manche nicht nur eine geheime Fantasie verwirklicht werden, sondern auch die frauenfreie Welt der Manager mit ihren Krawatten erschüttert werden. Wer nicht drauf steht, kann ja ab und zu Formulierungen verwenden wie „Den hab ich aber gefickt!“ Man kann für Schwänze sein, sollte dabei aber durchaus mal den Kopf anschalten. Damit man ihn im Bett dann ausschalten kann.