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Archiv-Artikel

Wowereit kassiert Opposition

Der Regierungschef genießt wieder seinen Job. Im Parlament preist er sich und Rot-Rot für den Verkauf der Landesbank. Die Opposition weiß nichts entgegenzusetzen – außer alten Vorwürfen

VON MATTHIAS LOHRE

Klaus Wowereit kann es noch nicht wissen, als er die wenigen Meter von seinem Regierungssessel zum Rednerpult geht. Er kann nicht wissen, dass sein Selbstlob und sein staatstragender Auftritt gar nicht nötig sein werden, um die Parlamentsaussprache zum Landesbank-Verkauf zu überstehen. Zwar weiß der Regierende Bürgermeister, dass die Opposition vergangene Woche zaghaft Lob gespendet hat, als der Senat den Verkauf der Landesbank Berlin bekannt gab. Wowereit ist auch klar, dass seine Regierung aus einem Wrack ein attraktives Unternehmen gemacht hat. Und dass ihm diesen Erfolg niemand nehmen kann. Aber dass seine Rede das Beste sein wird, was die Parlamentarier hören werden– das kann er in diesem Moment wirklich nicht wissen. Aber der Reihe nach.

Wowereit – gebräunte Haut, dunkelblauer Anzug, hellblaue Krawatte – gibt eine Regierungserklärung ab. Sie wäre nicht nötig, der Verkauf der Bank an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ist beschlossene Sache. Aber der Regierungschef will seinen Erfolg genießen. Anfangs spricht er vom Blatt ab, bezeichnet den Verkauf der sanierten, geschrumpften und umbenannten Bankgesellschaft als „großen Erfolg für die Stadt“. Die vom DSGV gezahlten 5,3 Milliarden Euro hält er wenig überraschend für einen „sehr guten Preis“.

Diesen Erfolg will Wowereit nicht allein seinem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) überlassen, der den Deal vereinbart hat. Sarrazin kann den „besonderen Dank“ seines Chefs nicht entgegennehmen, sein Sessel auf der Regierungsbank ist noch leer. Er kehrt gerade erst zurück aus Brüssel. Dort hat er die EU-Wettbewerbskommissarin zu überzeugen versucht, dass alles sauber abgegangen ist beim Landesbankverkauf. Die Wettbewerbshüter argwöhnen, Berlin habe den Käufer des Landesunternehmens nicht allein nach dem angebotenen Preis gewählt.

Dem fühlt sich Wowereit gewappnet. Er hat der EU sogar eine wütende Passage seiner Rede gewidmet. Den erklärten Gegnern der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute schleudert er entgegen: „Faktisch wollte die EU-Kommission die Tür zur Zerschlagung des bewährten Drei-Säulen-Bankensystems öffnen.“ Es sei ein schmaler Grat zwischen dem Ziel fairen Wettbewerbs „und dem Diktat der reinen Marktlogik“.

Das sitzt. Nach ein wenig Selbstbeweihräucherung – der Senat lasse sich auch künftig nicht „durch die Aufgeregtheiten des Tages beirren“ – sitzt auch er. Was er von seinem Chefsessel im Folgenden sieht, wird ihm gefallen. Denn in ihren Reden mühen sich die Fraktionschefs von CDU, Grünen und FDP verzweifelt, die Balance zu halten. Einerseits müssen sie zähneknirschend eingestehen, dass der Senat aus einem finanziellen Fiasko das Beste gemacht hat. Andererseits müssen sie das Haar in der Suppe finden, ohne eine Mitverantwortung ihrer Parteien an Entstehen und Zusammenbruch der Bankgesellschaft in den 90ern ganz zu leugnen.

Den schwersten Job hat Friedbert Pflüger. Er saß für die niedersächsische CDU im Bundestag, als sein Parteifreund Klaus Landowsky seinen Namen zum Synonym für Berliner Filz und Bankenskandal machte. Er, Pflüger, habe den CDU-Anteil daran „nie bezweifelt“. Nun sei die SPD an der Reihe, ihre Verantwortung einzugestehen. Letztlich wirken Pflügers Angriffe hilflos. Als er Wowereit vorwirft, die SPD sei „unverschämt gut weggekommen“, da nutzt er die Worte des Bankenkritikers Peter Grottian. Seinen eigenen Worten scheint er zu wenig Gewicht beizumessen.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann müht sich in bester FDP-Manier, Rot-Rot der wirtschaftspolitischen Unfähigkeit zu überführen: „Ohne EU-Kommission hätten Sie doch am liebsten sozialistische Banker gespielt.“ Vielleicht wollte Ratzmann damit tatsächlich dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Martin Lindner helfen. Der sonst so Wortgewaltige gab sich nämlich kleinlaut. Lindner lobte den „einigermaßen vernünftigen Abschluss“ und befand – wenig überraschend –, seine Partei könne auf den öffentlich-rechtlichen Bankensektor in Deutschland verzichten.

In diesen Minuten betritt der Finanzsenator, zurück aus Brüssel, den Plenarsaal. Sarrazin schaut in die Runde, als frage er sich, wohin es ihn nach der Hektik der jüngsten Tage verschlagen hat, setzt sich und beugt sich über einen Aktenordner. Er nickt abwesend, als die Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm lobt, er habe einen „ausgezeichneten Job gemacht“, und seine Lippen formen ein stummes Danke. Dann liest er einfach weiter.