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Archiv-Artikel

Sensation am Sonntag

Leverkusen ist deutscher Fußballmeister! Im Finale schlagen sie die Bayern. Wie das Unmögliche möglich wurde

LEVERKUSEN taz ■ Offensichtlich hatten die Einwohner Leverkusens geahnt, dass sich endlich die Gelegenheit ergeben würde, Meister zu werden. Motiviert durch diese Hoffnung, freien Eintritt und angenehmes Wetter strömten 22.500 Rheinländer zum Finale um die A-Junioren-Meisterschaft zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München. Nach 120 unterhaltsamen Minuten war es vollbracht. Leverkusen hatte mit 2:1 gewonnen. Es wurde gesungen und gehopst, als sei hier wirklich Großes geschehen. Verständlich ist diese Euphorie wohl nur vor dem Hintergrund des Leverkusener Schicksals, der ewige Zweite zu sein.

Für die Bayern war diese Atmosphäre ziemlich beeindruckend, sodass auch das Publikum einen Anteil an diesem Titel für sich beanspruchen kann. „Sonst spielen wir vielleicht vor 5.000“, sagte Münchens Stürmer Dominik Rohracker, erwartet hatten sie 10.000, nun wurde dieses Finale zu einem Vorgeschmack auf die Zukunft, die Verlierer und Sieger des Tages gemeinsam träumen. Natürlich wollen all die Jungs möglichst bald in der Bundesliga spielen. Von den Finalteilnehmern 2007 hat aber bislang kein einziger einen Profivertrag in der Tasche. Der Münchner Kapitän Sebastian Langkamp wechselt zum HSV und macht sich Hoffnungen, von Huub Stevens berücksichtigt zu werden, das Münchner Talent Toni Kroos darf künftig bei Ottmar Hitzfeld mittrainieren, doch beide sind vorerst ebenso wie die Leverkusener Meisterspieler höchstens für die Reservemannschaften ihrer Klubs vorgesehen. Und selbst dorthin sei der Sprung „unglaublich groß“, erklärte Hermann Gerland, der Trainer des FC Bayern II.

Meistertrainer Thomas Hörster ist sich trotzdem sicher, dass „wir viele von den Jungen in der Bundesliga wiedersehen werden“. Wer das allerdings sei, könne man gegenwärtig „unmöglich sagen, da kann noch so viel passieren“. Gerade in München könnte es nach dem Kaufrausch dieses Sommers besonders schwer werden für den Nachwuchs. Die Bayern waren in den vergangenen sieben Jahren fünfmal im Finale und spielten dort mit Leuten wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Andreas Ottl, Piotr Trochowski, Zvedjan Misimovic, Markus Feulner oder Christian Lell. „Man muss schon richtig außergewöhnlich sein, um jetzt noch dort hineinzurücken“, sagte Bayern-Trainer Kurt Niedermayer. Kroos schreckt die Prominenz bei den Profis trotzdem nicht ab. „Es ist doch ein Riesenvorteil, mit solchen Leuten zu trainieren“, sagt der Mittelfeldspieler, der im Spätsommer noch Deutschlands U19-Nationalteam zu WM-Erfolgen in Korea führen soll.

Der erst 17-Jährige gilt als Herz dieses WM-Kaders, er ist langfristig an den Rekordmeister gebunden, doch offensichtlich glauben die Bayern nicht mehr daran, genügend solcher Fußballer mit ganz besonderen Fähigkeiten selbst entdecken und ausbilden zu können. Sie haben nämlich vor einem Jahr einen mündlichen Vertrag mit den 35 anderen Profiklubs aufgekündigt, was in Leverkusen für Ärger sorgt. „Es gab ein Gentlemen’s Agreement“, sagte Bayern-Nachwuchsleiter Jürgen Gelsdorf „niemand durfte einen Spieler aus dem Leistungszentrum eines anderen Klubs abwerben, das hat zu einer totalen Beruhigung des Transfermarkts in der Jugend geführt.“ Mit dieser Ruhe sei es nun vorbei, der Konkurrenzkampf werde härter und die Macht der Berater unnötig gesteigert.

In diesem Jahr waren beide Mannschaften aber noch weitgehend mit Fußballern besetzt, die schon lange in ihren Klubs spielen und ausgebildet werden. Der Erfolg der beiden A-Jugendfinalisten ist also ein Erfolg für die Jugendabteilungen und das Scouting der Vereine, und „das macht mich sehr stolz“, sagte Thomas Hörster. DANIEL THEWELEIT