: Die Rechten von nebenan
RECHTER AUFMARSCH Zwei Demonstrationen von Flüchtlingsgegnern gleichzeitig – am Montag standen in Marzahn und Buch knapp 600 Nazigegner mehr als 700 rechten Demonstranten gegenüber. Eine Chronik
RECHTER DEMONSTRANT
VON LAURA MESCHEDE UND STEFANIE BAUMEISTER
Allein diese Woche fanden in Berlin drei Demonstrationen gegen die geplanten Containerdörfer für Flüchtlinge statt. Dahinter stehen nach Angaben von Recherchenetzwerken neonazistische Parteien wie die NPD und „Die Rechte“. Fast jedes Mal protestieren Nazigegner gegen die rassistischen Aufmärsche. Eine Chronik der Demos.
18 Uhr, Marzahn, vor der Alice Salomon Hochschule
Um die 50 Gegendemonstranten, darunter Vertreter der Initiative „Hellersdorf hilft“, treffen sich vor der Alice Salomon Hochschule (ASH), um gemeinsam zum Treffpunkt an der Landsberger Allee zu fahren. Auf der anderen Straßenseite wollen sich die Gegner der Flüchtlingsunterkunft um die „Bürgerbewegung Hellersdorf“ treffen. Die Stimmung ist angespannt.
19.30 Uhr, Buch, Bahnhofsvorplatz
Die Gegendemonstranten sammeln sich vor dem Bahnhof Buch. Veranstalter ist das „Bündnis für Respekt und Demokratie in Buch und Karow“. Fahnen von SPD, Grünen und Piraten wehen neben Antifafahnen. „Wir werden hier wohl noch einige Zeit warten müssen“, erklärt Anmelder Jan Schrecker den Demonstranten. Von den Flüchtlingsheimgegnern ist nichts zu sehen, sie stehen außer Hör- und Sichtweite.
19 Uhr, Marzahn, Landsberger Allee/Blumberger Damm
Bei der Gegendemonstration von „Hellersdorf hilft“ haben sich circa 500 Menschen versammelt. Es kommt zu ersten Rangeleien mit der Polizei, als sich Demonstranten mit einem Transparent in Sichtweite der rechten Kundgebung stellen. „Es ist ja klar, dass wir der Feind sind, da bei uns die meiste Polizei steht“, sagt Tanja Roth, Pressesprecherin vom Asta der ASH. „Die katastrophale Strategie der Polizei zieht sich schon über Wochen“, so Roth. Bei der nun mittlerweile dritten „Montagsdemonstration“ sind neben dem Berliner Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke auch mehrere Aktivisten vom „Nationalen Widerstand Berlin“ vertreten, die dafür bekannt sind, Journalisten und politische Gegner zu „outen“. Auch Patrick Krüger, Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“, nimmt teil.
20 Uhr, Buch, Walter-Friedrich-Straße
Ein paar hundert Meter vom Bahnhof Buch entfernt haben sich 200 Teilnehmer auf der Demonstration gegen das Containerdorf eingefunden. Organisator ist offiziell das Bündnis „Pankow lebenswert“ – die Infrastruktur wird nach Angaben des antifaschistischen Pressearchivs „apabiz“ jedoch von örtlichen Neonazistrukturen gestellt. „Überall kranke Gestalten, jede Art von Herkunft sich entbindet“, dröhnt aus Lautsprechern ein Lied der neonazistischen Band „Sleipnir“. Zwei ältere Anwohnerinnen stehen am Rande: „Das ist hier ein Bewohnerprotest. Weil die uns einfach ein Asylantenheim hier hinbauen wollen“, sagt eine. „Warum stellen sie das nicht an den Stadtrand?“
20 Uhr, Marzahn
Einige Pressevertreter verlassen aufgrund der bedrohlichen Situation die rechte Demonstration frühzeitig. „Es kann einfach nicht sein, dass die Nazis ohne Presse und ohne Polizei laufen“, so Tanja Roth. Für „Hellersdorf hilft“ macht es den Anschein, als seien die Flüchtlingsheimgegner von „Bürgerbewegung Hellersdorf“ nicht einmal mehr daran interessiert, sich bürgerlich zu geben. „Wer sich neben die NPD stellt und mit bekannten Nazis Hand in Hand läuft, ist ein Rassist und braucht sich nicht hinter dem Argument ‚besorgter Bürger‘ verstecken“, erklärt Jens, Anwohner und Mitglied des VVN, der an der Gegendemonstration teilnimmt. „Es gibt keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Asyl.“
Die Vorbereitung und Durchführung der „Montagsdemos“ übernehmen organisierte Rechtsextremisten, so das Recherchekombinat Oprema. Als Ordner fungierten Mitglieder von der Partei „Die Rechte“, berichtet auch ein Pressefotograf. Zudem gab es wieder Sympathiebekundungen mit den Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa), die durch Kleidung mit HoGeSa-Symbolik auffielen.
20.16 Uhr Buch, Walter-Friedrich-Straße
Die Teilnehmer hier lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Männer mittleren Alters mit Glatze, Sonnenbrillen und Bierflasche sowie „gewöhnlich“ aussehende Anwohner meist älteren Semesters. Ansonsten grenzen sich die Teilnehmer jedoch kaum voneinander ab. „Das wirklich Gefährliche an diesen Demonstrationen ist die Mischung aus militanten Neonazis und rassistischen Anwohnern“, sagt Frank Metzger vom apabiz. „Man muss nicht allein Angst davor haben, dass Neonazis die Containerdörfer angreifen könnten – auch von vielen dieser rassistischen Anwohner geht eine direkte Gefahr aus.“
Ein schwarz gekleideter Mann hält eine Rede für die Demonstranten. „Wir sind heute auch hier, weil die Presseschmierer schreiben, wir seien Rassisten“, sagt er. „Der Protest gegen uns ist von linken Parteien organisiert. Merkt euch das bei der nächsten Wahl.“ Er erntet laute Zustimmungsrufe. Antifaschisten werden den Redner später als Christian Schmidt, Vorsitzenden der Pankower NPD, identifizieren.
20.15 Uhr, Marzahn, Landsberger Allee/Lea-Grundig-Straße
Der Demozug zieht sich durch Marzahn und endet wieder am Blumberger Damm. Auf halber Strecke wird ein Böller auf Gegendemonstranten geworfen, es wird eine Anzeige wegen versuchter Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz geben, so die Polizei gegenüber der taz.
„Die Angriffe haben gezeigt, dass unser antirassistisches Zeichen legitim und notwendig ist“, sagt die Sprecherin vom Asta der ASH. Mit verschränkten Armen und Kopfschütteln stehen einige Anwohner auf den Balkonen und beobachten die Gegendemonstration. „Dein Nachbar ist ein Nazi!“, ruft eine Demonstrantin – ein Mann im Unterhemd zuckt mit den Achseln.