: „Ich bin kein Staatsrat de luxe“
Und das Moderationsverfahren in Sachen Kohlekraftwerk ist „kein so kleiner Erfolg“: Dieter Mützelburg erklärt, warum die Grünen sich nicht als die Verlierer der Koalitionsverhandlungen sehen
DIETER MÜTZELBURG, 63, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, war von 1983 bis 1985 und von 1991 bis 2003 Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und dort Vorsitzender des Haushaltsausschusses.
INTERVIEW VON BENNO SCHIRRMEISTER
taz: Herr Mützelburg – die SPD scheint glücklich mit dem Koalitionsvertrag. Sind die Grünen die Verlierer?
Dieter Mützelburg: Nein, gar nicht. Natürlich ist bei uns die Diskussion heftiger – vielleicht sind Grüne kontroverser als Sozialdemokraten …
Es gibt auch deutliche Abstriche. Sie waren angetreten mit der Ansage: Keine Weservertiefung, kein Kohlekraftwerk –
Die Kernaussagen waren: Bildung, Klimaschutz und Bürgerbeteiligung. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Quoren für Bürgerbegehren, das Wahlalter gesenkt werden – und unsere ausländischen Mitbürger Stimmrecht erhalten sollen. Die Hochschulen bekommen mehr Geld. Und wir haben eine bessere Förderung in den Kindergärten ausgehandelt. Außerdem soll Bremen Klimaschutz-Kompetenzzentrum im Norden werden.
Toller Titel, wenn Weservertiefung und Kohlekraftwerk kommen.
Die Weservertiefung hat keinen Einfluss auf den Klimawandel. Es ist richtig, dass wir an der Mittelweser-Vertiefung auch zu knabbern hatten. Die war unvermeidlich, weil es bereits eine Vereinbarung mit Niedersachsen gibt. Und Jens Böhrnsen hat klar gemacht, dass er keine Verträge brechen wird.
Also hätte ein Nein bedeutet …?
… dass kein Koalitionsvertrag zustande kommt, ja. Oder keiner, der den Weser-Ausbau mit weitreichenden ökologischen Maßnahmen flankiert.
Gab’s beim Kraftwerk auch Verträge mit Niedersachsen?
Nein, sicher nicht. Ob es kommt oder nicht – darauf haben wir ja auch nur begrenzt Einfluss. Es ging darum, einen politischen Willen zu bekunden …
… der schwammig ausfällt.
Ich finde, unter den gegebenen Umständen stehen wir besser da, als man erhoffen konnte: Dass es dieses Moderationsverfahren gibt, und zwar mit der Frage, ob dieses Kraftwerk nötig ist und ob Alternativen günstiger sind, das ist kein so kleiner Erfolg. In der Frage standen die Verhandlungen unter erheblichem Druck, durch DGB, Unternehmen und Arbeitnehmer …
… die dem Märchen glauben, ein Kohlekraftwerk schaffe mehr Arbeitsplätze als die Energiewende.
Zweifellos sind kleinere, dezentralen Blockheizkraftwerke arbeitsplatzintensiver, ja. Wenn es für uns Anlass zur Selbstkritik gibt, dann da: Dass wir den Kontakt zu den Arbeitnehmern in den Klimaschutz-relevanten Unternehmen nicht genug gepflegt haben.
Sie selbst verbessern sich als Arbeitnehmer. Wozu braucht man zwei Staatsräte im Finanzressort?
Mich wundert es, dass die Frage nie andersherum gestellt wird: Warum braucht auch die SPD einen Staatsrat in dem Ressort? Aber inhaltlich: Es hat im Finanzressort bis 2003 immer zwei Staatsräte gegeben …
… was die Opposition heftig kritisiert hat.
Nein. Wir haben nur die Staatsrat-de-luxe-Regelung kritisiert.
Und Sie?
Ich soll kein Staatsrat de luxe werden. „De luxe“, meint ja einen Staatsrat, der auch Mitglied des Senats ist. Das wurde 1999 für die Bremer Beauftragte in Berlin eingeführt, damit nicht für jede Bundesratssitzung ein Senator anreisen muss – da dürfen nur Regierungsmitglieder abstimmen. Wir haben kritisiert, dass die CDU dann auch so einen Posten bekommen hat.
Sie werden nicht Senatsmitglied?
Nein. Die SPD hat uns einen solchen Posten angeboten. Aber das wollten wir nicht. Mich gekränkt hat die Behauptung, es ginge um meine Altersversorgung.
Das stand in der taz …
Wissen Sie, ich bin seit 1971 im öffentlichen Dienst. Ich zahle meine Beiträge. Zu meiner Altersversorgung trüge das fast nichts mehr bei, wenn ich jetzt zwei, drei Jahre ein höheres Gehalt beziehen würde. Wenn ich nicht vorher im öffentlichen Dienst gewesen wäre, wie einige CDU-StaatsrätInnen …
… okay. Aber wozu brauchen wir zwei Finanzstaatsräte?
Es hat insgesamt im Rahmen des Sparkurses eine Zentralisierung der Aufgaben gegeben. Das heißt: Sehr viele Teilzuständigkeiten fallen wieder zurück, direkt ans Ressort. Dazu kommt, dass ein zentraler Zugriff auf das große Dickicht der Bremischen Gesellschaften politisch jetzt gewollt ist: Die meisten bringen ja kein Geld, sondern kosten welches, und oft hat die Steuerung durch die Fachbehörden gefehlt.
Das erfordert einen Staatsrat Finanzen?
Ja. Wir haben bei den Kliniken gesehen, wie überlastete Verwaltungsspitzen die Kontrolle verlieren. Das bedarf dringend der Neuordnung – und dafür wird das Finanzressort zuständig sein. Hinzu kommen auf Bundesebene die Verhandlungen über den finanziellen Teil der Föderalismus-Reform: Im Laufe dieser Legislaturperiode muss das Land da etwas auf den Tisch legen.