„Kreuzberg hat eine Menge dazugelernt“

In dem Westbezirk wird inzwischen akzeptiert, dass Muslime mit ihren Sakralbauten präsent sind, sagt der Sozialwissenschaftler Ulrich Bahr. Im östlichen Heinersdorf fehlten hingegen interkulturelle Kontakte fast völlig

ULRICH BAHR (34) hat an der HU seine Diplomarbeit über Moscheebauvorhaben in Kreuzberg geschrieben.

taz: Herr Bahr, Sie analysieren in Ihrer Diplomarbeit den Verlauf verschiedener Moscheebauvorhaben in Kreuzberg. Wieso werden manche rasch realisiert, andere bleiben über Jahre erfolglos?Ulrich Bahr: Das liegt unter anderem an der unterschiedlichen Sichtweise auf die Vereine, die bauen wollen. Im Falle des fast fertiggestellten Maschari-Centers auf dem Bolle-Gelände etwa ist der Bauherr ein kleiner, eher unbekannter Verein, der Islamische Verein für wohltätige Projekte. Der Bezirk hatte über ihn Informationen eingeholt, die positiv waren, und ihn dann unterstützt.

Die viel größere Islamische Föderation Berlin (IFB) hat dagegen bisher kein einziges ihrer Bauprojekte realisieren können. Ein Projekt an der Skalitzer Straße verläuft ziemlich zäh.

Da gab es auf beiden Seiten Missstimmung: bei der Mevlana-Gemeinde, die an der Skalitzer Straße bauen will, wegen des hohen Grundstückspreises, für den sie den Bezirk verantwortlich gemacht hat. Beim Bezirksamt dürfte es eine defensive Haltung gegeben haben wegen der Debatte, die es über die IFB im Zusammenhang mit dem von ihr erteilten islamischen Religionsunterricht gab.

Die Fatih-Gemeinde, die auch zur IFB gehört, ist schon vor 25 Jahren mit einem Moscheeprojekt gescheitert. Hat sich die Auseinandersetzung um solche Bauprojekte seither verändert?

Man kann das damalige Projekt schwer mit den heutigen vergleichen. Damals ging es nicht nur um eine Moschee, sondern um ein türkisches Kulturzentrum. Das sollte im Görlitzer Park stehen, der damals gerade in Planung war. Das platzte also in eine der ersten Planungen mit Bürgerbeteiligung. Das ablehnende Verhalten damals hatte viel mit Unerfahrenheit zu tun. Spannend ist, dass die Ablehnung umso größer wurde, je mehr die Behörden mit ins Spiel kamen. Bei den Anwohnern war sie gar nicht so groß.

Gegen den Bau des Maschari-Centers hat es Ihren Recherchen zufolge nur eine einzige Anwohnerbeschwerde beim Bezirksamt gegeben. Blocken die Behörden mehr als die Bürger?

Das mag für Kreuzberg 1984 gestimmt haben. Man muss aber sagen, dass der Bezirk eine Menge dazugelernt hat seitdem.

Was denn?

Es muss nicht mehr darüber diskutiert werden, dass die muslimischen Gemeinden im Stadtbild präsent sein wollen, dass sie Teilhabe am Gemeinwesen einfordern. Das war ja damals bei der Görlitzer-Park-Planung noch etwas ganz Neues. Und es gab in den letzten Jahren noch andere kleinere Lernprozesse.

Welche?

Der erste Entwurf der Mevlana-Moschee, die an der Skalitzer Straße entstehen soll, wurde noch abgelehnt mit dem Hinweis darauf, der Entwurf verkörpere nach außen einen reinen Sakralbau, berge aber im Inneren zu viel Raum für Einzelhandel. Drei Jahre später hieß es dann beim Maschari-Center, in dem ebenfalls Einzelhandel eingeplant ist: „Toll, dann kommen ja wieder Geschäfte dorthin, wo mal Bolle war.“ Das ist ein Lernprozess, bei dem es um Verständnis für die soziale und kommunikative Funktion einer Moschee geht.

In Heinersdorf, wo die Ahmadiyya-Gemeinde bauen will, gibt es eine Menge Ärger. Was läuft dort anders?

Dort sind interkulturelle Kontakte so gut wie nicht vorhanden. Viele Anwohner haben ein eher dörfliches Verständnis von ihrem Wohngebiet. Die Moschee verkörpert für sie Probleme, wie sie sie im Wedding oder in Kreuzberg sehen. Moschee gleich Rütli-Schule, so denken manche.

INTERVIEW: ALKE WIERTH