: Die Wand in Allermöhe
Zu Kacheln gebrannte Digitalfotos, Zeichnungen und Texte: Die Künstler Matthias Berthold und Andreas Schön tauschen 200 kaputte Kacheln an der S-Bahn-Station Allermöhe aus und schaffen so ein öffentliches Bilderbuch
Mit Bildern, Zeichnungen und Texten nehmen Anwohner aus Allermöhe die Betonwand am Eingang ihrer S-Bahn-Station in Besitz. Mit diesem Konzept für die Aufwertung des Stadtteils haben der bildende Künstler Matthias Berthold und der Grafik-Designer Andreas Schön den Wettbewerb der 6. Ausschreibung für Kunst im öffentlichen Raum Allermöhe gewonnen: „Kokus“, der Verein der Bauträger des Stadtteils, unterstützt die Arbeit mit 50.000 Euro.
Ende April hängten die Künstler ein Plakat auf: „Da geht was ab – da bleibt was hängen!“ steht darauf, denn „hier entsteht ein Kunstwerk“. Schön und Berthold besuchten Stadtteilkonferenzen, Seniorentreffs, Kindergärten und Schulen und sammelten Motive. Ihr regelmäßiger Infostand machte sie im Stadtteil bekannt: Zuerst reagierten die Jugendlichen. In der E-Mailbox fanden sich mit dem Handy geschossene und bearbeitete Selbstportraits und Briefe ein. „Liebe Künstler“ und „Hallo Allermöher-Wand-Team“ sind hier die Anreden.
Es kamen Bilder von Blumenmädchen, Erdbeeren, Kindergemälden, dem Pudel der Oma, dem Traumauto, einer Friedenstaube, dem Kuscheltier und Allermöhe im Winter. Das Bild des verstorbenen Vaters ist dabei und der Bauch einer Schwangeren, „hier wohnt Helena“ steht darüber. Die beiden 42-jährigen Künstler glauben auch, dass heute noch ein Heiratsantrag dabei sein wird. „Es soll ein offener Prozess sein“, sagt Andreas Schön. „Wir haben mit etwa 750 Teilnehmern einen schönen Schnitt durch alle Altersgruppen.“ Zum Abgabeschluss habe sich die Zahl der Einsendungen sogar verdoppelt. „Der Bahnhof wird viel freundlicher sein“, sagt auch die Anwohnerin Angela Pritzkoleit.
Jetzt geht es um die Auswahl der Motive und deren Zusammensetzung. „Das passiert auf Andreas Büroschreibtisch“, sagt Berthold, „wir nehmen, was von Herzen kommt“. Die Digitalbilder werden dann zu frostfesten Kacheln gebrannt, und im September bestücken Schön und Berthold die Wand in eigener Handarbeit.
„Das Ganze ist ein gesellschaftliches Experiment“, sagt Schön. „Und es hat bisher sehr gut funktioniert“, sagt Berthold. Die Künstler wollen die Wand positiv aufladen und sind davon überzeugt, dass sich die Allermöher mit dem Ort besser identifizieren werden. KATRIN BONNY