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Archiv-Artikel

SPORTPLATZ Erst Wettkampf, dann Rübermachen

DDR Ausstellung gibt Einblicke in die Entscheidungen der sogenannten Sportverräter

1983 kam Falko Götz in den Westen. Der Republikflüchtling aus der DDR heuerte beim Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen an, er wechselte zu Hertha BSC Berlin, wo er nach der aktiven Karriere auch Trainer war. Über ihn und hunderte weitere Sportler legte die Staatssicherheit Akten an: „Zentraler Operativer Vorgang Sportverräter“.

Götz und 14 weitere ehemalige DDR-Bürger, die in den Westen flohen, sind Protagonisten der Ausstellung „ZOV Sportverräter“ des Zentrums Deutsche Sportgeschichte, die bis zum 28. August im Willy-Brandt-Haus in Berlin-Kreuzberg zu sehen ist.

Unter ihnen ist auch Jürgen Kissner, Radsporttalent der 60er Jahre, der einen Wettkampf in Köln zur Flucht nutzte. Die frühere Hürdensprinterin Karin Balzer richtet sich in einem Video auf, stellt sich hinter eine Hürde und berichtet aus ihrem Leben. Für den 1969 geflohenen Langstreckenschwimmer Axel Mitbauer war die Flucht der „Wettkampf meines Lebens“. Mitbauers Flucht war auch eine sportliche Herausforderung: 25 Kilometer kraulte er durch die Ostsee. „Ich war ja umfassend zur Republikflucht ausgebildet worden“, erzählt der damalige DDR-Meister über 400 Meter Freistil heute lachend.

„ZOV Sportverräter“ soll einen neuen Blick auf den DDR-Sport bieten. „Es gab nicht nur Sportsoldaten“, sagt Mitbauer. Ines Geipel, 1989 geflohene Leichtathletik-Sprinterin, drückt es so aus: „Bislang dominierte das Bild der willigen DDR-Sportler.“ Es gebe aber eben auch einen anderen Blickwinkel auf die Athleten.

Keine Goldkinder

Ermöglicht haben ihn die mexikanische Künstlerin Laura Soria, die Videointerviews mit den in der Ausstellung vertretenen Exsportlern geführt hat. Und Jutta Braun, Historikerin aus Potsdam, die gemeinsam mit René Wiese die Ausstellung kuratiert: „Wir wollten die DDR-Sportler nicht als Goldkinder zeigen, die sich bloß mit dem, was die DDR ihnen bot, nicht zufrieden gaben.“

Der abwertende Blick auf DDR-Sportler hat sich bis heute gehalten: Willenlose Muskelmaschinen, die alles schluckten, was ihnen gegeben, und alles akzeptierten, was ihnen erzählt wurde – so etwa lautet die verbreitete Wahrnehmung. Dass Sport aber immer auch Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens, Zufriedenheit ebenso wie Unmut widerspiegelt, war in der Art, wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Deutschland über den DDR-Sport gesprochen wurde, kaum zu hören.

Unterschwelliger Vorwurf

Hier liegen Stärke und Schwäche der Ausstellung zugleich. Stärke, weil man Sportler als denkende, handelnde, glückliche und auch scheiternde Subjekte sieht. Es wird deutlich, wie wichtig Sport für sie ist, auch zur geistigen Befreiung und Selbstverwirklichung. Schwäche, weil die Ausstellung bei den Geflohenen bleibt, ihnen unterschwellig attestiert, den einzig möglichen Weg der Emanzipation beschritten zu haben. Damit wird den Dagebliebenen unterstellt, die willenlose Masse mitgebildet zu haben.

Dabei – das wäre eine schöne Aufgabe für künftige Ausstellungen – haben auch Sportler ihren Anteil am Ende der DDR gehabt. Die Ausstellung liefert folglich keine umfängliche Darstellung, macht aber einen erfreulichen Anfang. M. KRAUSS