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Archiv-Artikel

Wirte sollen Raucher jagen

Morgen wird die Bürgerschaft wohl einstimmig das Rauchen in fast allen öffentlichen Einrichtungen verbieten. Andernfalls drohen Geldbußen. Unklar ist aber, wie das Verbot kontrolliert werden soll

Rauchen verboten

Das Hamburgische Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Hamburgisches Passivraucherschutzgesetz HmbPSchG) soll am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Dann ist in allen öffentlich zugänglichen Einrichtungen – in Schulen, Krankenhäusern, Kinos, Museen, Theatern, Sportstätten und Behörden – das Rauchen verboten. In Behörden, Hochschulen oder Museen können Raucherräume eingerichtet werden. Das Rauchverbot gilt auch in Gaststätten sowie Bars und Discotheken, doch können auch hier Raucherreservate geschaffen werden. In Biergärten und Straßencafés darf weiter geraucht werden, ebenso in Festzelten bei „zeitlich befristeten Veranstaltungen“ wie dem Dom. SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Ab dem nächsten Jahr wird Hamburg rauchfrei. Nahezu einmütig wird die Bürgerschaft morgen ein Passivraucherschutzgesetz verabschieden, auf das sich die Fraktionen von CDU, SPD und GAL geeinigt haben. Unklar ist nur, ob einige Abgeordnete gegen ihre eigene Sucht votieren oder die Abstimmung in der Raucherecke boykottieren. Den Mut zur Nein-Stimme dürfte niemand haben.

In allen öffentlichen Einrichtungen und fast allen öffentlich zugänglichen Räumen Hamburgs wird ab 1. Januar das Rauchen zur Ordnungswidrigkeit, Ausnahmen sind nur in wenigen Fällen möglich (siehe Kasten). Verstöße können teuer werden: Bis zu 200 Euro für den Rauchenden werden fällig, bis zu 500 Euro für jene, die gegen den blauen Dunst nicht „als Verantwortliche“ einschreiten – als Museumswärter, Bademeister, Lehrer oder Kneipenwirt.

Letzteres ist das einzig Strittige an dem Gesetz. Lange hatten die PolitikerInnen über getrennte Vorschriften für Restaurants und Eckkneipen nachgedacht. Auch stand zur Debatte, die Inhaber entscheiden zu lassen, ob bei ihnen gequalmt werden darf. Letztlich wurden all diese Differenzierungen auf der abschließenden Sitzung des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft am 19. Juni verworfen. „Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Speise- und Schankwirtschaften und schafft damit eine klare Regelung“, heißt es nun in der Gesetzesbegründung.

Etliche Kneipenbesitzer bangen deshalb um ihre Existenz. Mehr als 60 Wirte auf St. Pauli haben eine Unterschriftensammlung gestartet und Protestbriefe an die Politik geschrieben. „Wenn hier nicht mehr geraucht werden darf, sind 80 Prozent meiner Stammgäste weg“, fürchtet Helmut Meinecke von der „Lustigen Mama“ auf dem Kiez. „Dann kann ich den Laden dichtmachen.“ Und in die Schuldenspirale geraten, denn aus seinem Pachtvertrag für die 30 Quadratmeter kleine Eckkneipe „komme ich nicht raus“, sagt Meinecke. Der läuft noch vier Jahre.

Auch der Hotel- und Gaststättenverband hatte sich gegen ein generelles Rauchverbot ausgesprochen. Die „Entscheidungsfreiheit“ des Besitzers wurde beschworen, Steuervorteile für Nichtraucherkneipen angeregt – vergeblich. „Abgetrennte Raucherräume“ wird die Anti-Raucher-Koalition nun fordern, denn dies, auch das steht in der Gesetzesbegründung, „erleichtert die Vollzugspraxis“.

Eben das aber bezweifeln der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski und auch einige Rechtspolitiker in der Bürgerschaft. Sie sehen bereits eine stadt- oder gar bundesweite Raucherdatei vor ihrem geistigen Auge. Denn unerlaubtes Qualmen in einer Kneipe wird laut § 5, Absatz 2 HmbPSchG beim ersten Mal „mit einer gebührenfreien Verwarnung, im Wiederholungsfall mit einer Geldbuße von 20 bis 200 Euro geahndet“.

Doch woher soll ein Polizist, der bei einer „anlassbezogenen Prüfung“ blauen Dunst wittert, wissen, ob der Rauchende schon mal gratis verwarnt worden ist? Kann er nicht, und deshalb zieht das Gesetz die „Verantwortlichen“ zur Rechenschaft. Denn Kneipenwirte werden verpflichtet, Qualmer unter Hinweis auf ihr Hausrecht notfalls vor die Tür zu setzen oder die Polizei zu rufen. Andernfalls droht ihnen besagte Geldbuße von 500 Euro.