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Archiv-Artikel

Der Sieger heißt Essebsi

TUNESIEN Der Chef der liberalen Partei Nidaa Tounes verpasst bei der Präsidentschaftswahl jedoch die absolute Mehrheit. Ende Dezember muss der 87-Jährige in die Stichwahl

Viele werfen Amtsinhaber Marzouki die Wirren des Übergangs vor

VON REINER WANDLER

MADRID taz | Bei der ersten freien Präsidentschaftswahl Tunesiens hat am Sonntag keiner der 27 Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt. Damit wird am 28. Dezember eine Stichwahl zwischen den beiden Meistgewählten notwendig.

Der Führer der bei der Parlamentswahl vor einem Monat siegreichen säkularen Partei Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens), Béji Caïd Essebsi, erreichte laut Umfragen beim Verlassen der Wahllokale zwischen 43 und knapp 48 Prozent der Stimmen, Moncef Marzouki, der bisherige Übergangspräsident, zwischen 27 und 33 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 64 Prozent. Beide Kandidaten werden jetzt um die Anhänger der unterlegenen Kandidaten werben. Der 87-jährige Essebsi gilt als klarer Favorit.

Essebsi blickt auf eine lange politische Karriere zurück. Unter dem ersten Präsidenten Tunesiens nach der Unabhängigkeit 1956, Habib Bourguiba, war er Innen- und später Außenminister und vertrat sein Land als Botschafter. Unter Bourguibas Nachfolger, dem am 14. Januar 2011 gestürzten Zine el-Abidine Ben Ali, wurde Essebsi Präsident des machtlosen Parlaments, bevor er sich aus der vordersten Linie der Politik zurückzog.

Nach dem Sturz Ben Alis stand Essebsi der Übergangsregierung vor. 2012 gründete er Nidaa Tounes, um der islamistischen Ennahda, die 2011 die Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung gewonnen hatte, einen starken Block entgegenzusetzen. Dazu scharrte er ein Sammelsurium von säkularen Politikern, Liberalen, Gewerkschaftern, aber auch ehemalige Mitgliedern und Kader von Ben Alis Einheitspartei RCD um sich. Im Wahlkampf baute er erfolgreich auf die Spaltung zwischen säkularen Tunesiern und Islamisten.

Sein Herausforderer Moncef Marzouki, 69, gibt sich als Hüter der revolutionären Errungenschaften und warnt vor der Gefahr, dass mit Essebsi „die alten Kräfte“ zurückkehren könnten. Doch Marzoukis Kongress für die Republik (CPR) verhalf mit einer weiteren kleinen Partei Ennahda 2011 zur Regierungsmehrheit. Der säkulare Marzouki wurde dadurch Übergangspräsident. Viele machen ihn für die Wirren der Übergangszeit, die mit dem Rücktritt der Ennahda-Regierung und der Einsetzung eines Technokratenkabinetts endete, mit verantwortlich. Ennahda verlor die Parlamentswahl, und die CPR büßte 25 der 29 Sitze ein.

Ennahda verzichteten auf einen Präsidentschaftskandidaten und sprach keine Wahlempfehlung aus. Marzouki warb gezielt um diese Stimmen und schreckte dabei selbst vor einer gewissen Nähe zu radikalen Predigern und Vertreter gewaltbereiter Gruppen nicht zurück. Essebsi nutzte dies im Wahlkampf, um Marzouki in die islamistische Ecke zu stellen. In der zweiten Runde kommt es jetzt auf die Wähler des linken Hamma Hammami – 11 Prozent – und des Liberalen Slim Riahi – 7 Prozent – an. Ein Teil dieser Stimmen macht Essebsi bequem zum ersten frei gewählten Staatschef Tunesiens.

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