: Rutschiges Erinnern
HOLOCAUST Eigentümer fordert Beseitigung von Stolpersteinen vor seinem Haus – aus Haftungsgründen
Nicht auf meinem Grund und Boden: Das war die Reaktion eines Charlottenburger Hauseigentümers, vor dessen Haus sieben sogenannte Stolpersteine liegen. Die ins Straßenpflaster eingelassenen Messingquadrate, von denen es allein in Berlin 6.000 Stück gibt, erinnern an Bewohner, die während der Nazi-Herrschaft vertrieben, verschleppt oder ermordet wurden. Vor dem Eingang der Dahlmannstraße 1 wird der Familien Cohn, Brück und Kallmann gedacht. Die ersten drei Stolpersteine wurden 2009 von der Initiative Stolpersteine eingelassen, die letzten vier kamen im April diesem Jahres dazu.
Der Hauseigentümer, ein Architekt aus dem Westend, wurde erst jetzt auf die vier neuen Messingtafeln aufmerksam. Er fordert die Beseitigung der Steine. Weil sie teilweise auf seinem Grundstück liegen, befürchtet er, versicherungstechnisch für Rutschunfälle von Passanten haftbar gemacht zu werden.
Eine eher vernachlässigbare Sorge, wie Charlottenburgs Baustadtrat Marc Schulte (SPD) findet: Das Haftungsrisiko sei verschwindend gering. „Es gab bisher keinen Schadensfall, der uns gemeldet wurde“, sagte er der taz. Normalerweise würden die Stolpersteine allerdings auf öffentlichem Straßenland verlegt. „Der geschilderte Fall ist glücklicherweise die absolute Ausnahme.“
Es war denn auch ein Versehen, dass die vier neueren Stolpersteine 30 bis 40 Zentimeter zu nah am Haus eingelassen worden waren. „Wir orientierten uns an bereits vorhandenen Stolpersteinen. Dass das Privatgrund ist, haben wir nicht gesehen“, verteidigt sich Helmut Lölhöffel, Koordinator der lokalen Stolpersteininitiative beim Bezirksamt Charlottenburg, der die Steine zusammen mit Lehrlingen verlegt hat. Lölhöffel weigert sich trotzdem, der Frist des Eigentümers nachzukommen und die Steine zu versetzen. „Ich fühle mich den Nachkommen verpflichtet. Sie fühlen die Würde ihrer Toten durch eine solch kleinliche Debatte verletzt.“ Auch wenn der Hauseigentümer formal im Recht sei. „Wir hoffen weiter auf eine Verständigung“, so der pensionierte Journalist und Senatssprecher zur taz. Auf einen Brief des Anwalts Peter Raue, Mitglied der Stolperstein-Initiative, habe der Eigentümer leider bislang nicht reagiert. Allerdings habe er die Steine auch noch nicht wie angekündigt entfernen lassen.
Der Künstler Gunter Demnig, Urheber der Stolpersteine, riet den Charlottenburgern dazu, einzulenken. Damit das Gedenken nicht von Rechtsfragen erdrückt wird. NINA APIN