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Archiv-Artikel

THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Dass Sinn so eine Art bürgerlicher Herrschaftsdiskurs ist, der auf dem Theater zu besonders perfiden (und letztlich kunstfeindlichen) Macht- und Hierarchiestrukturen führt, diese Auffassung hat gelegentlich der Regisseur Herbert Fritsch vertreten. Seine Regieschreddertechnik, die noch aus dem bravsten Stoff den anarchistischen Kern herauszuschälen weiß, ist sozusagen eine Ästhetik des Widerstands gegen das bürgerliche Theater, seinen Anspruch auf Sinnvermittlung und alle damit verbundenen Frontalunterrichtskunstanstrengungen. Inzwischen ist Fritsch allerdings just in diesem Theater längst ein gefeierter Star. Davon legen nicht nur zahlreiche Einladungen zum Theatertreffen Zeugnis ab, sondern auch, dass er an immer größere Stoffe sich wagt. Nun an einen der größten, den die Musiktheatergeschichte zu bieten hat: Mozarts 1787 uraufgeführte Oper „Don Giovanni“ (deren Protagonist in anderen Kontexten unter dem Namen „Don Juan“ firmiert). Don Giovannis Diener Leporello ist übrigens der Namensgeber für das Theaterprogramm in Form eines langen, gefalteten Papierstreifens: Auf einem solchen nämlich hat der wackere Diener ein Register von den Liebschaften seines Herrn angelegt. (Komische Oper: „Don Giovanni“, Premiere: 30. 11., 18 Uhr).

Einer, der ebenfalls quer zu den Normen seiner Zeit steht oder besser liegt, ist Brechts Theaterheld „Baal“ aus dem Jahr 1919. Mit diesem lebensgierigen wie amoralischen Wesen hat der 21-jährige Brecht auch eine Art (Möchtegern-)Selbstbildnis verfertigt. „Porträt des Künstlers als antibürgerliches Monster“ könnte es überschrieben sein. Nun wissen wir längst, dass solche Posen selbst in höchstem Maße bürgerlich sind und bestenfalls für den Popdiskurs taugen. Folgerichtig nimmt sich nun der Oberpopregisseur des deutschen Theaters, Stefan Pucher, dieses Stoffes an (Deutsches Theater, Premiere 27. 11., 20 Uhr).

Ein ganz besonderes Projekt steht in dieser Woche auf dem Spielplan der Sophiensæle: eine Übermalung von Anton Tschechows „Drei Schwestern“. „Schwestern“ hat Frank Krug seinen Theaterabend lapidar überschrieben, in dessen Zentrum mit Nele Winkler, Juliana Götze und Rita Seredßus drei Schauspielerinnen mit Downsyndrom stehen. Die drei jungen Frauen erzählen vom Leben und von ihrer Sicht auf Höhen und Tiefen, die dieses zu bieten hat. Mit von der Partie ist auch die legendäre Theater- und Filmschauspielerin Angela Winkler, die darüber hinaus auch die Mutter von Nele Winkler ist. Mit Tammo Winkler spielt außerdem noch ein Sohn von Angela Winkler mit (Sophiensæle: „Schwestern“, 27., 28., 29. und 30. 11., jeweils um 20 Uhr).