TAZ-ADVENTSKALENDER: WESERSTRAßE 3
: Haaröl, Stoffe, Kochbananen

3. DEZEMBER Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür öffnen – und sich überraschen lassen

Auf dem Kottbusser Damm tobt das Leben, doch kaum biegt man in die Weserstraße ab, wird es ruhig. Etwas zu ruhig, findet Vasiliki Papathanasiou, die morgens um kurz nach zehn Uhr im Afro Shop Alpha and Omega hinter dem Tresen sitzt und schwarzen Kaffee schlürft. „Der Laden trägt sich so gerade“, erzählt die Frau um die 50. Zum Glück muss sie nicht davon leben, sie arbeitet seit 25 Jahren in der Ufa-Fabrik. Der Laden gehört ihrer Freundin Rebecca Odametey aus Ghana. „Ich helfe ihr mit den Steuern, der Website, der Gewerbeaufsicht und allem, was schwierig ist für Englischsprachige“.

Auf die Frage, was es in einem Afro Shop zu kaufen gibt, antwortet Papathanasiou mit einer Gegenfrage: „Viel Ahnung von Afrika ham Se wohl nich?“ Ein Afro Shop, klärt die gebürtige Griechin auf, ist ein Geschäft, wo „bürgerliche Afrikaner“ alles bekommen, was ihr Herz begehrt. Mit einem resoluten „Komm Se mal mit“ erhebt sie sich aus ihrem Drehstuhl und führt die Besucherin in den Nebenraum, wo haltbare Lebensmittel sowie Frischware angeboten werden: Maniok, Süßkartoffel, Yam, grüne und braune Kochbananen. „Wir Deutschen kennen ja nur Kartoffeln. Das hier sind super Alternativen für die Beilage.“

Neben Lebensmitteln gibt es bei Alpha and Omega vor allem Kosmetika – von Haaröl zum Kämmbarmachen bis zur Kakaobutter: „Das kriegen Se nich bei DM“, wirbt die Griechin. Eine ganze Wand ist voll gehängt mit Haarteilen und Perücken: „Frauen sind Frauen, überall auf der Welt. Sie möchten dauernd ihren Stil wechseln“, sagt Papathanasiou. Das vierte Standbein des Geschäfts sind afrikanische Stoffe. „Die Afrikanerinnen machen daraus ihre Gewänder. Jeder Stoff ist 6 Yards lang, etwa 5,5 Meter – und wird auch nur so verkauft“, erklärt sie. In letzter Zeit seien auch einige „junge Kreative“ aus dem Kiez „auf den Trichter gekommen“ und würden die Stoffe als Applikationen für ihre selbst genähte Kleidung nutzen.

Ansonsten gehöre die neue hippe Einwohnerschaft der Gegend eher nicht zur Klientel von Alpha and Omega. „Unsere Kunden sind zu 50 bis 60 Prozent Türken, Araber und Südamerikaner“, sagt Papathanasiou. „Nur 40 Prozent sind Afrikaner. Der Rest sind Deutsche, die mal in Afrika waren.“ Die Türken und Araber kauften vor allem Haarprodukte und Kosmetika, die Südamerikaner das Gemüse – und die Deutschen Stoffe und Kunsthandwerk.

„Spießer wie Sie und ich“

Die multikulturelle Kundschaft gefällt der patenten Frau, die mit 21 Jahren das erste Mal in Ghana war und seitdem alle paar Jahre hinfährt. „Ist schon interessant, wie verschieden die Menschen sind – und auch wieder gleich“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. Umso mehr ärgert sie, dass in den Medien immer wieder dieselben Klischees bedient werden – wie das des Afrikaners als hilfebedürftigen Flüchtlings. „Dabei leben die meisten Afrikaner in Berlin ganz legal. Sie haben Papiere, zahlen Steuern, gehen in die Kirche, sind spießig wie Sie und ich!“ SUSANNE MEMARNIA