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Archiv-Artikel

„Schreiben kann glücklich machen“

SCHREIBTRAINING Die Hamburger Schriftstellerin Katrin McClean weiß, wie weit der Weg von der Idee zum fertigen Buch ist. Viele würden sich zuerst überlegen, was anderen gefallen könnte, sagt sie. Wichtiger aber sei es, beim Schreiben selbst Spass zu haben

Katrin McClean

■ 48, unterrichtet seit zehn Jahren an der Hamburger Volkshochschule, wie man Kurzgeschichten und Romane schreibt.

■ Selbst schreibt sie Krimis und neue Folgen für die Hörspiel-Serie „Fünf Freunde“

INTERVIEW: DENNIS BÜHLER

taz: Viele Menschen möchten Bücher schreiben, die wenigsten aber schaffen es. Weshalb?

Katrin McClean: Viele haben gute Ideen, aber können sie nicht bis zum Ende durchziehen. Wenn die Umsetzung beim ersten Wurf nicht so klappt, wie sie es sich vorgestellt haben, geben sie auf. Sie haben einen ersten Entwurf zu Papier gebracht und denken sich beim Durchlesen: So habe ich das aber nie aufschreiben wollen.

Wer besucht überhaupt Ihre Kurse, um Kurzgeschichten schreiben zu lernen?

90 Prozent der Teilnehmer sind Frauen. Vielleicht fällt es Frauen leichter, etwas Halbgares aus den Händen zu geben und von mir bewerten zu lassen. Männer wollen lieber schon ein fertiges Produkt vorweisen – dann benötigt man aber keine Schreibwerkstatt mehr, während der sich die Texte ja noch entwickeln sollen. Womöglich lassen sich Männer auch nicht so gern von einer Frau belehren.

Stimmt die klischeehafte Vorstellung, dass vor allem Hausfrauen an Ihren Kursen teilnehmen?

Tatsächlich sind es oft Frauen, die sich neu orientieren, sobald die Kinder aus dem Hause sind. Diese Frauen haben viel erlebt, sie haben sich um Mann und Kind gekümmert und besitzen ein großes Einfühlungsvermögen. In letzter Zeit kommen aber auch viele junge Frauen, die herausfinden wollen, ob sich Schreiben zum Beruf machen ließe. Außerdem arbeite ich in einem anderen Projekt auch viel mit Kindern und Jugendlichen.

Kann man heutzutage überhaupt noch vom Schreiben leben oder muss man sich mit Nebenverdiensten über Wasser halten?

Selbst die meisten Schriftsteller können mit dem Bücherschreiben ihren Unterhalt nicht verdienen. Viele sind nebenbei im Journalismus tätig, schreiben für Werbeagenturen oder machen Übersetzungen. Aber literarisches Schreiben hat ja nicht nur einen Sinn, wenn man damit finanziellen Erfolg hat. Wie viele Leute malen Bilder, ohne gleich ein neuer Picasso sein zu wollen? Komischerweise hat es sich noch wenig herumgesprochen, dass Schreiben auch ohne Erfolgsdruck glücklich machen kann.

Wie findet man eine Idee? Ist es einfacher, wenn man autobiografische Elemente in die Handlung aufnimmt oder lässt sich auch alles erfinden?

Wichtig ist, zu schreiben, was einen persönlich berührt. Viele, die in meine Kurse kommen, muss ich überzeugen: Hört auf zu überlegen, was anderen gefallen könnte oder was sich wie gut verkauft – findet erst einmal heraus, worüber ihr gerne schreibt. Und da kommen häufig autobiografische Momente ins Spiel.

Welche Probleme können sich während des Schreibprozesses ergeben?

Häufig beginnt ein Autor eine spannende Geschichte, schreibt sie dann aber nicht auf den Höhepunkt des Konfliktes hin zu. Denn Schriftsteller sind ja auch normale Menschen und wollen keinen Ärger. Und so schwenken sie manchmal auf eine eigentlich unwichtige Nebenhandlung um, sobald es richtig spannend werden könnte, oder erfinden eine Lösung aus heiterem Himmel, die sich nicht entwickelt hat.

Wie viel Durchhaltevermögen braucht es, bis man das gedruckte Buch in den Händen hält?

Schreiben ist schön, bereitet aber auch viel Arbeit. Gerade das Erstlingswerk ist schwierig, weil man jede Situation zum ersten Mal erlebt. Fast jedes Buch ist mit einer Schaffenskrise verbunden. Auf jeden Fall sollte man sich darauf einstellen, dass es ganz schön lange dauert, bis ein Buch fertiggestellt ist. Mitunter Jahre.

Sie selbst sind jetzt 48-jährig und haben vier Romane und drei Krimis publiziert. Wird das Schreiben mit zunehmendem Alter einfacher?

Einerseits nützen mir meine Lebenserfahrung sowie meine analytischen Fähigkeiten. Ich sehe einen Text als Gebilde mit Struktur, wie ein Architekt ein Haus betrachten würde. Andererseits geht einem mit zunehmendem Alter die Impulsivität verloren. Als ich mit Schreiben begann, lag mir noch sehr viel auf dem Herzen, was ich mir von der Seele schreiben musste. Mit 48 Jahren habe ich jetzt zwar alle künstlerischen Mittel auf meiner Arbeitspalette, dafür wird die Frage schwieriger, worüber ich überhaupt noch schreiben könnte.