: „Hexenverfolger“ sind am Ziel
VW-Affäre: Nach seinem SPD-Landtagsmandat gibt Günter Lenz auch seine Posten als Betriebsratschef und Aufsichtsrat auf und akzeptiert einen Strafbefehl. Jahrelang hatte er dementiert
VON KAI SCHÖNEBERG
Immer wieder hat er geleugnet. Immer wieder hat Günter Lenz beteuert, er habe nicht an VW-Sexpartys teilgenommen. Ein Zeuge könne das belegen. Gestern kamen zu den Ex-Funktionen des einstigen SPD-Landtagsabgeordneten Günter Lenz zwei weitere hinzu. Nachdem er den Strafbefehl der Braunschweiger Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Untreue akzeptiert hatte, legte Lenz seine Ämter als VW-Betriebsratschef im Nutzfahrzeugwerk Hannover und als VW-Aufsichtsrat nieder. „Nach intensiver Beratung mit der Familie“ habe sich Lenz zu dem Schritt entschlossen, heißt es in einer Mitteilung des Betriebsrats. Mehr war von dem 47-Jährigen gestern nicht zu erfahren. „Jetzt hat er gar nichts mehr“, hieß es aus seiner früheren SPD-Fraktion. 2003 hatte Sigmar Gabriel den VW-Multifunktionär Lenz in den Landtag geholt und ihn zu seinem wirtschaftspolitischen Sprecher gemacht. Lange hatte der bedächtig wirkende Mann als politischer Hoffnungsträger gegolten.
„Beihilfe zur Untreue“ – damit umschreiben die Juristen, dass Lenz sich auf zwei Reisen des Gesamtbetriebsrats 2001 und 2002 offenbar „dienstfremd“ auf Kosten des Konzerns auf Sexpartys vergnügt haben soll. Dabei sei ein finanzieller Schaden für VW in Höhe von 600 Euro entstanden. Weitere Vorfälle sind inzwischen verjährt. Durch die Annahme des Strafbefehls entgeht Lenz einem öffentlichen Prozess, in dem die Staatsanwaltschaft Zeugen aus dem Rotlichtmilieu aufmarschieren lässt. Wahrscheinlich kann das Verfahren nun verkürzt werden. Das werde bis Ende des Monats entschieden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Lenz ist nicht der erste SPD-Parlamentarier, der in der VW-Affäre strauchelt. Ende Mai hatte der inzwischen wegen der Affäre zu 39.200 Euro Geldstrafe verurteilte Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Uhl sein Mandat niedergelegt. Bereits 2005 musste SPD-MdB Jann-Peter Janssen sein Amt abgeben. Beide hatten auch Funktionen bei VW gehabt.
Bemerkenswert am Schritt von Lenz ist die Hartnäckigkeit, mit er die Vorwürfe bislang abgestritten hatte. „Ich erzähle doch hier auch nicht über die Luxusreisen vom Ministerpräsidenten auf Kosten von Volkswagen in die Vereinigten Arabischen Emirate“, wütete Lenz vor fast drei Jahren im Landtag Richtung Regierungschef Christian Wulff (CDU) – und löste damit einen Tumult auf den Bänken von CDU und FDP aus. Es war die Zeit, als die Bild fast täglich über die Verfehlungen von „Luxus-Lenz“ berichtete. Und die Zeit, als viele sogar Verständnis für den Ausrutscher des Beschuldigten hatten. Nicht nur Lenz’ Partei, auch IG-Metallchef Jürgen Peters hatte ihn stets in Schutz genommen: Die Presse betreibe eine „moderne Form der Hexenverfolgung“, einige Journalisten versuchten, alle VW-Betriebsräte „zu korrupten Funktionären“ abzustempeln, sagte Peters.
Erst nach der öffentlichen Aussage von VW-Personalchef Klaus-Joachim Gebauer, Lenz sei in Hannover „Unterorganisator“ von Sexpartys gewesen, hatte die SPD ihn zum Verzicht auf sein Mandat gedrängt. Das war Mitte Juni. Kurz geriet dadurch sogar SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner ins Wanken, weil er sich hinter den Genossen Lenz gestellt hatte. Der gelernte Werkzeugmacher Lenz ist immerhin seit 1982 in der SPD. Bereits 1994 verfasste er als Geschäftsführer des VW-Betriebsrats einen Aufruf mit dem Titel „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Gerhard Schröder“.
Lenz ist trotz allem nur ein kleiner Fisch in der VW-Affäre. Auch wenn sogar Arbeitsdirektor Peter Hartz bereits zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, steht die Aufarbeitung eines großen Komplexes im VW-Gestrüpp noch aus: Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen eines weltweiten Netzes von Tarnfirmen, die VW-Manager mit Schmiergeldern aufgebaut haben sollen.
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