: Exxon lässt Vögel in Ruhe
Hat der Energieriese Umweltschützer bestochen, um leichter Spreng-Messungen für Erdgas im ostfriesischen Vogelschutzgebiet durchführen zu können? Ein Vorwurf – und seine Erklärung
VON KAI SCHÖNEBERG
Der Vogelschützer Rolf Baum ist empört. „Das ist eine ziemlich freie Erfindung und eine Unverschämtheit obendrein“, sagt Baum zu dem Vorwurf, er habe eine seltene Vogelart, die Wiesenweihe, für die Spende eines Energiekonzerns geopfert. Seit Jahren beobachtet Baum, Mitglied des Arbeitskreises Wiesenweihenschutz Ostfriesland, die Vögel auf der ostfriesischen Halbinsel Krummhörn. Bis zu 400 Stunden Freizeit verwendet er im Jahr für die zwei bis vier Brutpaare, die hier nisten.
Während Baum die Vorwürfe „absolut hirnrissig“ findet, stellen die unabhängigen Umweltschützer des ostfriesischen Wattenrats einen direkten Zusammenhang zwischen Geldgaben von Exxon Mobil Production und dem Wohlwollen von Vogelkundlern und Naturschützern her. Exxon habe sich für seine Sprengmessungen auf Krummhörn „die Ruhe mit einer Spende“ erkauft. Auch „ der größte Naturschutzverband der Republik“, der Naturschutzbund NABU nehme „dankbar Bares von Exxon Production und sagt öffentlich nichts zu den Bohrungen, auch in Vogelschutzgebieten“, heißt es beim Wattenrat.
„Erstens haben wir kein Geld erhalten, zweitens ist gegen die Erdgas-Untersuchungen außerhalb der Brutzeiten im Binnenland nichts zu sagen“, entgegnet Matthias Bergmann vom NABU. Der Wattenrat sei in der letzten Zeit häufig durch „Polemik“ aufgefallen.
„Wir haben uns bei allen Nachbarn für die gute Zusammenarbeit bedankt“, sagt Norbert Stahlhut, Sprecher von Exxon Mobil. Erst nach den Erdgas-Untersuchungen habe die Firma rund 20.000 Euro für mehrere Projekte in der Region gespendet. Von Bestechung könne keine Rede sein. „Wir tun nichts, um Wohlverhalten zu erkaufen.“
Vor zwei Jahren hatte der Konzern damit begonnen, auf einem 160 Quadratkilometer großen Gelände in zehn Metern Tiefe tausende kleiner Sprengsätze zu zünden. Durch die Aufzeichnung der Druckwellen der „seismischen Untersuchungen“ sei ein dreidimensionales Bild der Erdformationen unter Krummhörn entstanden. „Aber oben spüren sie praktisch nichts“, sagt Stahlhut. Die Sprengmessungen ergaben den heißen Verdacht auf Erdgas, das in dieser Region bereits reichlich gefördert wird. Im Dezember sollen erste Bohrungen in 4.500 Metern Tiefe beginnen.
Da ein Drittel der Proberegion im Nationalpark Wattenmeer, in Vogel- und Naturschutzgebieten liegen, seien die Untersuchungen „umfangreich“ von Naturschützern begleitet worden, sagt Exxon-Sprecher Stahlhut. „Es gab ein Infomobil vor Ort und einen Tag der offenen Tür.“
„Es gab kleine Erdbeben, so als ob ein Lastwagen vorbeifährt“, beschreibt Baum die Sprengungen. „Nicht mal Pferde und Kühe haben das gemerkt.“ Zudem sei mindestens im Umkreis von 500 Metern von den Nestern der Wiesenweihe nichts passiert: „Das waren absolute Tabuzonen.“ Erst nach den Tests habe er sich mit der Bitte um eine Spende an Exxon gewandt und 500 Euro erhalten, „für Schutzzäune“, sagt Baum. Der Vogelschützer sieht sich als „kritischen Geist“, aber gegen Exxon Mobil kann er wenig Böses sagen: „Die haben sich hier an die Standards gehalten und sie zum Teil sogar übererfüllt.“
Vielleicht birgt die Erdgasförderung in Ostfriesland aber doch Risiken. Das Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg sieht mittlerweile einen Zusammenhang zwischen überraschenden Erdbeben in der Region und der Erdgasförderung. Seit im Herbst 2004 ein Beben mit der Stärke 4,5 auf der Richter-Skala die Region um Rotenburg an der Wümme erschütterte, diskutiert die Fachwelt. Es gab zwar kaum Schäden, aber die Seismologen haben herausgefunden, dass das Epizentrum des Bebens genau unter der größten Förderregion von Erdgas in Deutschland lag, nämlich in Rotenburg. Über den großen Erdgas-Feldern um das niederländische Groningen ist das Land bereits so tief abgesackt, dass Deiche umgebaut werden mussten.
Die Erdbebenforscher fürchten nun, dass es künftig öfter wackeln könnte. Immerhin haben die Erdgasproduzenten inzwischen erste Konsequenzen gezogen: Sie installieren bis zum Herbst fünf Messstationen. Die sollen die Erdgasfelder in den Regionen Rotenburg, Soltau, Walsrode und Munster auf über 40.000 Quadratkilometer Fläche überwachen.