: „Das Problem ist die Bandenkultur“
POLITIK David Cameron verteidigt das Vorgehen der Polizei und will ein Facebook-Verbot für Gewalttäter
DAVID CAMERON, PREMIERMINISTER
AUS LONDON RALF SOTSCHECK
„Wir lassen es nicht zu, dass auf unseren Straßen ein Klima der Angst herrscht“, sagte der britische Premierminister David Cameron am Donnertag vor dem Unterhaus. In einer Notstandssitzung zu den Krawallen kündigte er Sofortmaßnahmen an, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.
Dass die Abgeordneten zu einer Sondersitzung aus dem Urlaub gerufen werden, kommt in Großbritannien selten vor. Cameron musste in seiner kurzen Amtszeit schon zweimal zu diesem Mittel greifen – das erste Mal vor wenigen Wochen, als der Abhörskandal um die News of the World immer weitere Kreise zog. Und nun wegen der Unruhen in zahlreichen englischen Städten.
Der Einsatz von Plastikgeschossen, die bisher nur in Nordirland benutzt wurden, sei bereits seit dem Wochenende erlaubt, sagte Cameron. Zudem stünden Wasserwerfer in Nordirland bereit und können binnen 24 Stunden nach London geschafft werden. Für dieses Wochenende bleiben 16.000 Polizisten in London im Einsatz. Er lehnte es jedoch ab, die geplanten Kürzungen bei der Polizei zurückzunehmen. Darin sei er sich mit dem Koalitionspartner, den Liberalen Demokraten, einig.
Die vergangenen Tage hätten bewiesen, dass die Polizei die vorhandenen Ressourcen durchaus effektiv einsetzen könne. Er wolle nicht akzeptieren, dass die Polizei nicht besser organisiert werden könne. „Zu keiner Zeit sind mehr als zwölf Prozent der Beamten auf der Straße“, sagte Cameron. Das sei zu verbessern. Der Premierminister kritisierte, dass die Polizei die Ausschreitungen ursprünglich als Störung der öffentlichen Ordnung behandelt habe und nicht als ein Verbrechensproblem. Daraus müsse man lernen. Er hat eine Prüfung angeordnet, ob es möglich sei, den Mobilfunk und soziale Netzwerke wie Twitter und das Blackberry-Nachrichtensystem vorübergehend zu unterbinden, wenn der Verdacht auf Vorbereitung von Krawallen besteht. Außerdem soll die Polizei ermächtigt werden, Vermummten die Masken abzunehmen. Zwar darf sie das bereits nach einem Gesetz von 1994, aber das Gesetz untersagt nicht, dass die Leute die Masken einfach wieder aufsetzen. Außerdem soll es künftig einfacher sein, Ausgangssperren zu verhängen.
Auf die Frage der Grünen-Chefin Caroline Lucas, ob Cameron die Maßnahmen der Regierung gegen soziale Ungleichheit überprüfen werde, antwortete es, es habe nichts mit sozialer Ungleichheit zu tun, wenn junge Leute Geschäfte zerstören. „Ein harter Kern hat einfach nicht genügend Angst vor dem Justizsystem“, sagte er. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie diese Angst bekommen.“ Cameron forderte die Menschen auf, ihre Nachbarn anzuzeigen, falls die plötzlich neue Flachbildfernseher oder andere Luxusgüter besitzen. Zudem will Cameron die Maßnahmen gegen Jugendbanden ausweiten. Die Bandenkultur sei der Kern des Problems, sagte er. Eine Expertenkommission soll bis Oktober einen Bericht vorlegen.