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Archiv-Artikel

Flüchtlinge in die Lehre

WIRTSCHAFT Eine gemeinsame Kampagne der Integrationsverwaltung und der Handwerkskammer soll Betriebe ermutigen, sich stärker für Flüchtlinge zu öffnen

Patenschaften für Flüchtlinge

■ Auch die Kirchen engagieren sich für die Flüchtlinge. So sind seit September 85 ehemalige Oranienplatzbewohner in Einrichtungen und bei Gemeindemitgliedern des Kirchenkreises Stadtmitte untergebracht.

■ Bei einer am Montag vorgestellten Zwischenbilanz zeigten sich die KichenvertreterInnen enttäuscht über die „mangelnde Kooperationsbereitschaft“ des Senats.

■ Obwohl es eigentlich dessen Aufgabe sei, für die Unterbringung der Flüchtlinge zu sorgen, will sich die Kirche auch weiterhin um Unterkünfte kümmern. Zur Finanzierung hat die Evangelische Landeskirche jetzt ein Patenschaftsprojekt begonnen: Wer 63 Euro spendet, ermöglicht einem Flüchtling die Unterbringung und Versorgung für eine Woche. Für 270 Euro kann die Patenschaft für einen Monat abgeschlossen werden. Mehr Informationen unter: www.ekbo.de/fluechtlinge (mgu)

VON MALENE GÜRGEN

Berlin braucht Fachkräfte. Jedes Jahr bleiben Hunderte Ausbildungsplätze unbesetzt, besonders handwerkliche Betriebe sind betroffen. Gleichzeitig wohnen in Berlin Tausende junge Menschen, die gerne einen Beruf erlernen oder eine Arbeitsstelle finden würden, aber immer wieder auf Schwierigkeiten stoßen: Etwa 18.000 geflüchtete Menschen von 18 bis 25 Jahren, die über eine Arbeitserlaubnis verfügen, gebe es in Berlin, sagt die Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). 25 von ihnen erproben jetzt in einem am Montag vorgestellten Pilotprojekt, wie Flüchtlinge und Ausbildungsplätze zusammenkommen können.

Ein vom Kreuzberger Kulturträger „Schlesische 27“ organisierter sechsmonatiger „Übungswerkstätten-Parcours“ soll arbeitssuchenden Flüchtlingen ermöglichen, einen zu ihren Interessen und Fähigkeiten passenden Betrieb zu finden. Jeweils einen Monat verbringen die Teilnehmer bei einer der sechs kooperierenden Berliner Handwerks-Innungen. In dieser Zeit sollen sie über die Berufsfelder dieses Bereichs informiert werden und sich außerdem praktisch ausprobieren können. Stellt sich dann etwa die Arbeit bei der Baugewerks-Innung als das Richtige heraus, soll im Anschluss an den dort verbrachten Monat ein Praktikum in einem Baubetrieb absolviert werden – woran sich dann wiederum eine Ausbildung oder Übernahme anschließen soll. Ist die Baubranche nicht das Richtige, wird das nächste Modul, etwa bei der Lackierer-Innung, absolviert.

„Das Projekt lohnt sich für die Flüchtlinge, die eine Perspektive erhalten können, und es lohnt sich für die Handwerksbetriebe, die so ihre Ausbildungsplätze an motivierte Menschen vergeben können“, sagt Stephan Schwarz, Präsident der Berliner Handelskammer. Eingebunden ist das Projekt in eine Kampagne der Senatsverwaltung für Integration, des Berliner Bleiberechtsnetzwerks „bridge“ und der Handelskammer. Unter dem Motto „arrivo – Flüchtling ist kein Beruf“ sollen Berliner Flüchtlinge und Betriebe zusammenkommen. Neben dem „Übungswerkstätten-Parcours“ besteht die Kampagne vor allem aus Öffentlichkeitsarbeit, durch die „die Betriebe ermutigt werden sollen, sich stärker für Flüchtlinge zu öffnen“, so Senatorin Kolat.

„Es braucht viel mehr Betriebe, die mitmachen“

INTEGRATIONSSENATORIN KOLAT (SPD)

Das scheint keine einfache Aufgabe zu sein: „Ich verwende den Begriff Flüchtling ungern, weil bei vielen dann gleich Vorurteile da sind, dass es da eine Sprachbarriere geben könnte und die Menschen für eine Ausbildung nicht geeignet sind“, sagt Anselm Lotz von der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes. Auch Senatorin Kolat sagt, man sei „noch sehr am Anfang“. Zum einen brauche es „viel mehr Betriebe, die mitmachen“, zum anderen seien auch die für Flüchtlinge ohne volle Arbeitserlaubnis benötigten Genehmigungen der Ausländerbehörde „noch keine gelebte Praxis“. Durch eine Gesetzesänderung ist es in Deutschland seit November möglich, dass Flüchtlinge mit einer Aufenthaltsgenehmigung schon nach drei Monaten arbeiten können – eine Ausbildung oder ein Praktikum muss hier aber von der Ausländerbehörde genehmigt werden.

Zuständig für die Vermittlung der Flüchtlinge an das Projekt und damit schlussendlich an die Betriebe ist das Netzwerk „bridge“, auch mit Jobcentern und Arbeitsagenturen gibt es eine Zusammenarbeit. Funktioniert das Pilotprojekt in den nächsten sechs Monaten, soll es weitere Durchgänge geben – wenn sich genügend teilnehmende Betriebe finden.