: Weber wieder solo
Nachdem Karin Röpke noch vor Amtsantritt den Posten der Bürgerschafts-Direktorin aufgegeben hat, schreibt Präsident Christian Weber (SPD) die Stelle aus. Nur das Gesetz zwingt ihn noch nicht dazu
von BENNO SCHIRRMEISTER
Der Boulevard hatte auf Dauerfeuer geschaltet. Und sie hat Morddrohungen erhalten. Gestern hat Karin Röpke, zehn Tage vor Amtsantritt, ihren Posten als Bürgerschaftsdirektorin aufgegeben. „Die heftigen Reaktionen haben mir deutlich vor Augen geführt, dass ich in der neuen Position keine Chance hätte“, sagte sie. Ein Festhalten hätte „auch die Institution Parlament“ geschädigt.
Dessen Präsident Christian Weber (SPD) hatte die gescheiterte Sozialsenatorin acht Monate nach ihrem Ausscheiden aus der Landesregierung ohne Rücksprache mit Freund und Feind auf den Posten berufen. „Es war keine einsame Entscheidung“, hatte er zwar betont – allerdings ohne bekannt zu geben, mit wem er sich beraten hatte.
Über den Rücktritt äußerte Weber gestern „Bedauern“, zeigte aber „Verständnis“ und wies darauf hin, dass das Ganze ihn persönlich sehr belastet habe. Sirvan Çakiçi (Linksfraktion) gab ihren „Respekt vor Karin Röpkes Entscheidung“ bekannt, die Grünen-Fraktion verkündete „Erleichterung“, Vizepräsident Bernd Ravens (CDU) sprach von „einem notwendigen Schritt“.
Vergangenen Mittwoch war Röpke vom Bürgerschaftsvorstand mit der denkbar knappsten Mehrheit von vier zu drei bestätigt worden. Eine Woche zuvor hätte sie nicht einmal diese Legitimation erhalten: Vizepräsidentin Karin Mathes (Grüne) hatte ein Nein angekündigt. Ihr Umschwenken war heftig kritisiert worden, auch Grünen-Ehrenvorsitzende Christine Bernbacher zeigte sich „schockiert“.
Man fühle sich eher als Opfer, gab dagegen Fraktions-Chef Matthias Güldner zu verstehen. „Das war so eine Art Kollateralschaden.“ Auf den „Präsident Weber“ sei man jedenfalls „stinksauer, dass er uns in diese Rolle gebracht hat“. Und wenn Grün beim Nein geblieben wäre? Zwar, fürs grüne Renommee wäre ein Veto „zweifellos besser“ gewesen, so Güldner zur taz. „Aber fürs Parlament hätte das eine Hängepartie von unbestimmter Dauer bedeutet.“ Vermuten darf man, dass sich dann der offenbar von Webers Solo-Nummer nicht minder überraschte Koalitions-Partner SPD empört gegeben hätte. Jetzt hat man sich ziemlich geräuschlos auf eine Gegengabe geeinigt: Bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause soll das Beamtenrecht geändert werden. Die Koalitionäre wollen dem Bürgerschaftspräsidenten seine noch jungen Sonderrechte wieder entziehen.
Seit 2003 nämlich hat der, analog zu den Senatoren, die Freiheit, vier Posten seines direkten Umfelds freihändig zu besetzen. Wenn er im Vorstand keine Zustimmung findet – tut sich nichts. Ohne VerwaltungsdirektorIn aber ist das Parlament weitgehend blockiert. Rainer Oellerich, noch im Amt, gilt als gesundheitlich angeschlagen. Und der Präsident ist bereits öffentlich von ihm abgerückt.
Sein Sonderrecht hatte Weber seinerzeit durchgesetzt – mit der Begründung, das Parlament dadurch zu stärken. Auffällige Nutzanwendung war, dass er kurz danach Weser Kurier-Redakteur Wigbert Gerling als persönlichen Sprecher berief. Der zog es ein Jahr später vor, in die Redaktion zurückzukehren.
Seinerzeit verteidigte Dieter Focke die entsprechende Novelle für die CDU: Es gehe dabei „nicht um Filz oder Unterbringung von Leuten“, sagte er im September 2003 in der Bürgerschaft. Schließlich könnten sich Mehrheiten ändern, weshalb der – von den Grünen erhobene – „Filzvorwurf überhaupt nicht“ zutreffe und man das „jetzt auch so durchziehen“ wolle.I
Im Rahmen seiner Möglichkeiten argumentierte Focke geradezu staatstheoretisch: Eine „Gleichbehandlung mit dem Senat“ sei „durchaus angemessen“. Schließlich habe man es doch „mit dem höchsten Repräsentanten des Staates in unserem Bundesland zu tun“.
Jetzt wird die Stelle ausgeschrieben noch bevor das Parlament Webers Recht offiziell beschnitten hat. Kein Problem für die CDU-Fraktion: „Wir nehmen das zur Kenntnis.“ Linke und Grüne klatschen, erwartbar, Beifall. „Damit wird unsere Forderung nach Transparenz erfüllt“, so Çakiçi. Die SPD? Kommentiert leise den Rücktritt Röpkes. „Angesichts der Empörung muss ich feststellen,“ so Fraktions-Chef Carsten Sieling, „dass die öffentliche Stimmung falsch eingeschätzt wurde.“ Ein nichtssagender Satz. Außer, man erinnert sich daran, dass dem, der zuständig für eine Personalentscheidung ist, auch die Einschätzung ihrer Wirkung obliegt.