GARANTIEFREIE FÜSSE
: Das nebelgraue Bad

Die beiden Füße hatten wenig miteinander zu tun

Draußen war es noch dunkel, aber die Augen waren schon auf. Ich ging zum Schreibtisch, öffnete den Laptop und schaute auf die Uhr. Halb sechs. Wann war ich gestern ins Bett gegangen? – Elf. Das musste reichen. Ich öffnete die Balkontür, atmete durch, stellte die Espressokanne auf den Herd, machte das Radio an und ging ins Bad.

Wie jeden Morgen freute ich mich über mein nebelgraues Bad! Es ist der Stolz meiner Wohnung. Die Details sind gut gewählt. Zum Beispiel das Handtuch des Kicker-Sportmagazins mit dem Spruch „Sport macht Spaß“, das vor der Badewanne liegt. Ich hatte es vor vielen Jahren bei einem Fußballturnier in der Deutschlandhalle geschenkt bekommen, weil ich so gut gespielt hatte.

Als ich vor ein paar Jahren eingezogen war, hatte es Probleme gegeben. Die Steckdose sowie eine der zwei Lampen über dem Badezimmerspiegel hatten nicht funktioniert. Vier Jahre lang hatte ich immer wieder überlegt, einen Elektriker zu Hilfe zu rufen, und es dann doch nicht gemacht, weil ich die Dysfunktion nicht so schlimm fand.

Vor einigen Tagen, im Zuge einiger Lebensverbesserungsmaßnahmen, die unter anderem den Kauf einer neuen Matratze beinhalteten, hatte ich herausgefunden, dass ich eine falsche Birne eingesetzt hatte und dass die Steckdose durchaus funktioniert; jedenfalls, wenn gleichzeitig das Licht im Bad an ist.

Als ich auf meine Füße schaute, fiel mir plötzlich auf, dass der mittlere Zeh des rechten Fußes kürzer ist als der mittlere Zeh des linken Fußes. Die beiden Füße standen zwar nebeneinander, wirkten aber so, als hätten sie wenig miteinander zu tun.

Einerseits freute ich mich über die unegalen Füße – klar, dass man damit nicht besser Fußball spielen kann –, andererseits kam es mir seltsam vor, dass das nie beanstandet worden war. Die Garantie war längst abgelaufen. DETLEF KUHLBRODT