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Archiv-Artikel

„Das endet mit Durchfällen“

Jedes Jahr landen hochgiftige Pilze im Sammler-Korb. „Eine Lebertransplantation kann dann manchmal noch helfen – wenn Sie Glück haben“, sagt Andrea Sydow von der Giftzentrale Nord

ANDREA SYDOW, 44, ist Ärztin. Seit sieben Jahren arbeitet sie für die Giftzentrale Nord in Göttingen. Dort berät sie Vergiftungsopfer am Telefon.

INTERVIEW: STEFANIE HELBIG

taz: Frau Sydow, normalerweise beginnt die Pilzsaison erst im September. Warum wird schon jetzt vor giftigen Pilzen gewarnt?

Andrea Sydow: Pilze brauchen eine feucht-warme Witterung. Wenn es stark regnet und daraufhin wieder warm ist, so wie in diesem Jahr, sprießen die Pilze schon jetzt aus dem Boden – also auch viele giftige.

Jeden Sommer vergiften sich Pilzsammler. Hat die jahrelange Aufklärung die Zahl der Vergiftungen nicht reduzieren können?

Ich würde sagen, es hat sich nichts geändert. In den Sommermonaten haben wir wie immer viel zu tun. Es gibt Leute, die sich für Experten halten und das sicherlich auch sind. Aber auch die Profis haben immer wieder einen ungenießbaren oder gar giftigen Pilz dabei. Außerdem gibt es viele osteuropäische Mitbürger, bei denen das Pilzesammeln einen viel größeren Stellenwert hat als bei uns. Alle sammeln zusammen, und öfter. Dementsprechend oft bitten sie uns um Hilfe.

Ist die Kenntnis über Pilze heute nicht mehr so groß wie beispielsweise vor 50 Jahren?

Ich habe den Eindruck, dass heute auch Leute Pilze sammeln, die sich nicht auskennen. Ein Grundwissen, dass man von Eltern oder Großeltern gelernt hat, ist abhanden gekommen. Aber es gibt in vielen Städten Pilzsachverständige. Sie durchsuchen die Sammlung und sieben die schlechten heraus. In Hamburg kann man sich zum Beispiel an das Loki-Schmidt-Haus wenden.

Welche Pilze sind besonders gefährlich?

Zum Glück sind die meisten Pilze nicht giftig, sondern nur ungenießbar. Das endet dann mit Durchfällen und Erbrechen, ist aber letztlich ungefährlich. Der einzige Pilz, vor dem wir richtig Respekt haben, ist der Knollenblätterpilz. Die Vergiftung macht sich erst acht Stunden nach der Mahlzeit bemerkbar. Sie essen abends um acht und nachts um vier müssen sie sich übergeben. Für eine Magenspülung ist es dann schon zu spät, das Gift ist bereits vollständig aufgenommen. Manchmal kann eine Lebertransplantation noch helfen, wenn Sie Glück haben findet man ein passendes Organ. Meist aber endet eine solche Vergiftung tödlich.

Gibt es irgendwelche Pilze, die man leicht erkennen und bedenkenlos sammeln kann?

Pfifferlinge sind schwer zu verwechseln, viele Menschen sagen auch, der Steinpilz sei nicht riskant. Ganz besonders gefährlich sind Champignons, weil sie dem Kaboleggerling sehr ähnlich sind. Auch der Knollenblätterpilz wird oft für einen Champignon gehalten.

Das Giftinformationszentrum Nord ist zu erreichen unter ☎ 0551 / 1 92 40. Wer nach dem Sammeln unsicher ist, kann sich an das Institut für Angewandte Botanik in Hamburg wenden. ☎ 040 / 42 81 65 81.