Bäuerinnen der Milchstraße

So heißt ein Netz von Fahrradroutenen bei Stade, das durch feuchte Wiesen und Moore führt – vorbei an Bauernhöfen und Knicks. Auf manchen gibt es Kaffee und Kuchen und eine Besichtigung. Wie es sich dort lebt, erzählen drei Frauen vom Lande

Protokolle GERNOT KNÖDLER

Die Kfz-Mechanikerin

Ich bin durch meinen Mann zur Landwirtschaft gekommen. Als wir uns im Schützenverein kennen lernten, wusste ich nicht, dass er Landwirt ist. Ich wollte schon als Kind immer einen Bauernhof. 18 Jahre sind wir verheiratet. Zwei Jahre vor der Hochzeit habe ich mit Melken angefangen. Ich habe dann bei der Ernte geholfen und bin mit dem Trecker gefahren. So wurde das immer mehr. Ich bin ein praktisch begabter Mensch und mag Tiere sehr gerne, obwohl ich zu Anfang ziemlich viel Respekt vor den Kühen hatte. Dass ich nicht vom Bauernhof kam, war kein Problem. Ich habe Kfz-Mechaniker gelernt. Von daher kenne ich das mit dem Dreck und Geruch.

Am Anfang haben wir immer noch dadurch, dass meine Schwiegereltern mitarbeiteten, jedes zweite Wochenende einen Tag frei und konnten in Urlaub fahren. Das geht heute auch wieder so, weil zwei unserer Kinder soweit sind, dass sie uns helfen können. Manchmal denk ich: Mensch, die anderen können noch im Bett bleiben und Du musst schon wieder hoch. Am Wochenende hatten wir eine Feier und waren erst um halb Drei zu Hause und um halb Fünf klingelt dann der Wecker.

Wir haben ja einen Milchbetrieb und die Kühe machen keine Pause. Morgens und abends müssen die gemolken werden, komme was da wolle. Krank werden ist schwierig. Solange wie es geht, wird sich da hingeschleppt. Wenn es wirklich nicht mehr geht – ein Mann hatte neulich einen Bänderriss – krieg‘ ich einen Betriebshelfer.

Ich hab schon mal zu meinem Mann gesagt, wir könnten ja einen Biohof machen, aber dann kriegt man so viele Auflagen. Heute müssen wir ohnehin wesentlich mehr Papierkram machen als früher. Wir könnten fast ne Bürokraft einstellen. Für jede Kuh müssen wir einen Pass führen, wo drin steht, welche Medikamente sie bekommen hat. Es muss alles per Internet angemeldet, abgemeldet und umgemeldet werden. Dazu kommen die ganzen Hygienevorschriften. Früher wurde die Milch in Kübel abgefüllt, an die Straße gestellt und gut war. Heute muss die auf soundsoviel Grad runtergekühlt sein, damit da bloß keine Keime reinkommen. Früher sind die Menschen auch nicht kränker gewesen, das sind sie eher heute.Angela Petersen, Drochtersen

Die Jägerin

Meine Eltern haben auf einem Versuchsgut gearbeitet. So bin ich zur Landwirtschaft gekommen. Ich hab die Ausbildung gemacht – allerdings in einem Schweinebetrieb – und hab‘ auch Landwirtschaft studiert. Zu den Kühen hat man mehr Kontakt, weil man sie melkt. Ein Ferkel nimmt man zwar mal auf den Arm aber ne Sau fasst man eigentlich nicht an.

Vor den Bullen muss man Respekt haben. Das ist nicht ungefährlich, wenn die mal ausgebrochen sind. Beim Verladen bin ich grundsätzlich nicht dabei. Mich hat mal einer gegen das Gatter gedrückt. Seitdem habe ich Angst und das merken die.

Früher haben wir auch in der Außenwirtschaft viel mehr selber gemacht. Heute werden Arbeiten, wie das Gülle fahren und die Silage-Bereitung ausgelagert. Dafür sind die Stückzahlen größer geworden.

Das größte Problem bei unserem Beruf ist, dass man so ein bisschen den Anschluss verliert. Es gibt immer weniger Höfe und die anderen Leute haben andere Probleme. Man muss sicher immer bemühen, dass Kontakt hält. Wir haben hier einen Schützenverein, aber da gehen wir auch nur dreimal im Jahr hin.

Als Hobby spiele ich Jagdhorn und bin einmal im Monat im Knüttelclub. Außerdem engagiere ich mich noch im Schulelternrat. Selten gehe ich auf die Jagd. Im Herbst und Winter gibt es Treibjagden. Abends wird ein Schüsseltreiben veranstaltet. Das ist immer ganz lustig. Einen Tag mal rauszukommen ist immer ganz schön.

Vor vier Jahren hatten wir mal eine Rotte Wildschweine im Nachbarrevier an der Oste. Da waren elf Stück in einem Maisfeld und acht wurden geschossen. Das ist nicht so ungefährlich. Die Jäger sind alle ganz heiß und müssen aufpassen, dass sie sich nicht gegenseitig über den Haufen schießen.

Ab und zu haben wir auch Touristen auf dem Hof aber nur nach Anmeldung. Die kriegen Kaffee und Kuchen und ein Glas Milch wenn sie wollen. Ich sehe das als Öffentlichkeitsarbeit an, dass man den Leuten zeigt, wo die Lebensmittel herkommen. Wir haben eine Jugendbildungsstätte nebenan. Die Kinder kommen um zu gucken, um mal ein Kalb anzufassen. Am schönsten finden sie es, wenn die Kühe im Stall pütschern.

Auf ökologischen Landbau umzustellen, fände ich persönlich nicht schlecht. Aber mein Mann ist der Chef auf dem Hof. Die Absatzwege sind schwierig. Ich wüsste im Moment nicht, wo hier eine Biomolkerei wäre. Überhaupt ist die Umstellung ein Problem. Die Leistung geht runter, drei Jahre lang kriege ich aber keinen höheren Preis. Den Übergang könnten wir allein finanziell nicht schaffen.

Zweimal im Jahr schlachten wir Bullen für uns selber. Die hängen eine Woche lang beim Metzger, damit das Fleisch reifen kann. Das macht einen großen Unterschied in der Qualität aus. Durch die lange Fahrt auf einen großen Schlachthof haben die Tiere mehr Stress, was sich negativ auswirkt. Außerdem werden die Tiere gleich tiefgekühlt und weiterverkauft. Irgendwann ist mir mal das Hack ausgegangen und meine Jungs wollten Nudeln mit Tomatensoße. Selbst beim Anbraten war der Geruch ein anderer. Und die Jungs sagten, die Soße schmeckt nicht. Susanne Hildebrandt, Estorf

Die Gastronomin

Ich bin in Hamburg aufgewachsen. Hergekommen bin wegen der Pferde. Ich habe den Hof hier gekauft. Der Nachbarhof gehört meinem Mann. So haben wir uns kennengelernt. Weil ich Quereinsteigerin bin habe ich einen ganz anderen Blickwinkel als mein Mann.

Harald konnte vor 15 Jahren noch zwei Familien mit 30 Kühen gut ernähren. Die konnten auch Investitionen wagen. Fünf Jahre später kehrte sich das ganze Bild um. Eine 1000-jährige bäuerliche Kultur ist innerhalb von zehn Jahren gekippt. Heute kann der Bauer noch existieren, wenn er 150 Kühe melkt. Das hat einen unheimlichen Schnitt bewirkt in den bäuerlichen Familien.

Früher war es notwendig, dass die Frau mitgearbeitet hat. Im Winter sind sie bei Blitz und Donner raus, Silohaufen abzudecken. Ich war ja ein bisschen unbedarft und hab alles gemacht, was man mir auftrug. Raten Sie mal wer oben auf dem Haufen stand: Das war ich natürlich. Es war ein hartes Leben.

Daraus ergeben sich auch die Traditionen: Harald hat sich beim Mittagstisch immer zuerst mit dem größten Stück Fleisch bedient. Das kannte ich von zuhause gar nicht. Der Mann hat die meiste Körperkraft. Wenn der ausfällt geht‘s um Wohl und Wehe für die Familie, jedenfalls vor 30, 40 Jahren noch.

Es gibt viele Strukturen, die ich plötzlich begriffen habe. Zum Beispiel die Stellung der Schwiegertochter: Die ist ein Vermittler zwischen den Alten zwecks Pflege und den Jungen zwecks Nachfolger und dazwischen sitzt der Bauer, dem alles zugedient werden muss. Es wurden Regeln aufgestellt, was man macht und was man nicht darf. Die Schwiegertochter war in der Zange.

Dieses Schicksal ging gerade so an mir vorbei. Ich war schon viel zu erwachsen und kam mit einer eigenständigen Biografie. Ich hatte eine Lehre als Einzelhandelskauffrau und Hotelkauffrau gemacht und mit meinem Ex-Mann das Insel-Restaurant in Stade betrieben.

Dieses Objekt hier habe ich für meine Pferde gekauft. Es war in einem sehr einfachen Zustand. Was ich toll fand war, dass man um das Haus herumgehen konnte. Mit den Pferden sind Sie sofort im Moor.

Wir hatten auch mal Pensionspferde. Es war gruselig, welche Ansprüche die Leute für das geringe Entgelt stellten. Es gab welche, die hatten ein Pferd als Kindersatz. Dieses Pferd bekam Post von den Besitzern, die sollte ich vorlesen.

Die Gastronomie dagegen kenne ich. Das war zwar schwierig, das in Gang zu bringen. Aber der Trend schwappt jetzt hier rein. Vor allem, dass wir eigenes Rindfleisch anbieten, kommt gut an. Alle vier bis sechs Wochen brauchen wir einen Bullen für das Restaurant. Harald macht Moorwanderungen und das Hofdiplom für die Touristen. Ich sehe, wie stolz die dann sind.

Das ist etwas, das man bedienen muss. Natürlich ist Natur ganz klasse aber wenn man ein Glas Prosecco in der Hand hat, ist das noch viel besser. Mit dem Hof ergänzt sich das ganz prima. Ich versuche diesen Gegensatz als Geschäft aufzubauen. Ellen Tiedeman, Heinbockel

Restaurant „Bauernscheune“ Sonntags 15 bis 18 Uhr oder auf Anmeldung, ☎ 041 44 / 45 97